Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
während Daxx mit einem Bündel Geldscheine, die Alain aus seinem Rucksack gezaubert hatte, jener schier unerschöpflichen Finanzquelle, in dem Shop verschwand.
„Hältst du es für sinnvoll, dass wir die beiden allein gehen lassen?“, fragte ich.
„Was soll schon passieren? Ich habe seit Stunden keine Verfolger gesehen, außerdem haben wir die Zwillinge im Auge. Bleib locker.“
Alain hatte wohl Recht. Dennoch fühlte ich mich unbehaglich. Ich wartete, bis Sinh den Hahn der verrosteten Zapfsäule eingehängt hatte und seinem Bruder in den Shop folgte.
„Wie sieht Mutter eigentlich aus?“, fragte ich.
„Deine oder meine?“
„Lass den Blödsinn. Du weißt, von wem ich spreche.“
Alain drehte sich auf dem Beifahrersitz um, so dass wir uns in die Augen sehen konnten. „Wie kommst du jetzt darauf?“
„Willst du mit weiteren Fragen ausweichen, oder mir eine Antwort geben?“
„Hm. Sie ist eine hübsche Frau gehobenen Alters, schlank, mit großen braunen Augen und charaktervollen Gesichtszügen. Dunkelblond mit ein paar grauen Strähnen und stets elegant gekleidet.“
„Aha“, murmelte ich.
„Darf ich nun erfahren, warum du das wissen wolltest?“
„Weil ich ihr begegnet bin.“
„Was? Wo? Wann?“ Die Überraschung stand Alain deutlich ins Gesicht geschrieben. Oder war es Furcht? Passte es ihm vielleicht nicht, dass ich sie getroffen hatte?
„Als ich heute morgen weggetreten bin, in El Paso. Aber gesehen habe ich sie in der Villa.“
„Gesehen? Oder hast du auch mit ihr gesprochen?“
Ich weiß, dass dieser Gedanke gemein war, aber tief in mir freute ich mich, Alain ein wenig zappeln zu sehen. Er war nun nicht mehr der Einzige unserer Truppe, der einen Sack voller Geheimnisse ständig hinter sich herschleppte. Ich sah nicht ein, warum ich ihm diese Monopolstellung zurückgeben sollte. Trotzdem liebte ich ihn zu sehr, um ihn bewusst zu verärgern.
„Erzähle ich dir später, in Ruhe.“
Alains Kiefermuskeln spannten und entspannten sich einige Male unter der Haut seiner Wangen. Eine seiner Angewohnheiten, die zugleich niedlich aussah und innere Anspannung zeigte. Ein Ausdruck, den ich nur selten bei Alain zu sehen bekam. Letztendlich akzeptierte er den von mir gewünschten Aufschub.
„Glaubst du, sie könnte uns helfen?“, hakte ich nach.
Jetzt wurde Alain aufbrausender.
„Mein lieber Freund, warum sind wir wohl unterwegs? Bestimmt nicht, weil es dir in der Villa zu langweilig wurde. Oder hast du etwa bei der Raumzeit-Travel & Holiday Lotterie mitgemacht und einen Trip nach Waxahachie, Texas gewonnen?“
„Du kannst deinen Sarkasmus gern wieder einpacken. Der wird momentan nicht gebraucht.“
„Wir sind unterwegs, um ihr zu helfen, nicht umgekehrt. Ich weiß zwar nicht, was bei eurem kleinen Treffen abgegangen ist, aber wenn du mir eine solche Frage stellst, hast du etwas gründlich missverstanden.“
Aha. Es wurmte ihn doch mehr, als er zuzugeben bereit war.
„Ich weiß, dass es ihr nicht gut geht. Und ich weiß auch, dass sie unsere Hilfe benötigt. Aber ich dachte –.“
„Sie stirbt.“
Alains prompte Unterbrechung ließ mich verstummen. Ich hatte Mutter gesehen und mit ihr gesprochen. Ich hatte gesehen, wie krank sie war, obwohl es ihr gelungen war, diesen Eindruck unter einem Mantel aus Kraft und Disziplin weitestgehend zu ersticken. Eine bewundernswert tapfere Frau. Aber es war ihr nicht gänzlich gelungen und Alain hatte nun die schreckliche Wahrheit, die er mir bei unserem Streit in der Halle vor zwei Tagen bereits mitgeteilt und die ich zu verdrängen versucht hatte, mit nur zwei einfachen Worten wie einen Faustschlag in mein Gedächtnis zurückgerufen. Es ist nicht einfach, sich selbst zu belügen, aber richtig schlimm ist es, wenn man von Außenstehenden auf diese Lüge hingewiesen wird.
„Worauf hoffst du eigentlich, Julian?“, fragte Alain nach einer längeren Pause. Seine Stimme klang ruhiger, aber immer noch scharf. Ich holte tief Luft und seufzte.
„Sie kann uns die Drecksarbeit mit Dr. Robert nicht abnehmen. Wenn sie es könnte, hätte sie es schon längst erledigt. Es bleibt an uns hängen, so sieht es aus.“
Und wieder hatte Alain in eine offene Wunde gestochen. „Ich bringe das nicht“, sagte ich kleinlaut.
„Bullshit! Was willst du dir vormachen? Dass du der liebe Junge von nebenan bist? Der brave Pfadfinder, der jeden Tag eine gute Tat vollbringt?“
Ich sah Alain vorwurfsvoll an.
„Wach auf, Ghandi. Das bist du nicht. Wenn du
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