Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
hatte den Polizisten überrumpelt und ohnmächtig oder tot in irgendeiner Wäschekammer versteckt.
Ich raste hinunter bis zur Kreuzung, vorbei an künstlichen Pflanzen, einem Servierwagen, einem Rollstuhl und einem leeren Krankenbett. Im ersten Augenblick sah es so aus, als befänden sich auf dem Quergang lediglich weitere Zimmer, aber dann entdeckte ich weiter hinten im rechten Gang etwas, das nach einem Schwesternzimmer aussah. Eine große Glasscheibe reflektierte das Neonlicht der immerwährenden Beleuchtung in diesem Betonmonument. Eine junge Schwester, die einen Rucksack am Schulterriemen hielt, ging beschwingten Schrittes direkt auf die Tür neben der Scheibe zu. Sie sah nicht so aus, als wolle sie Sinh zur Hilfe kommen, abgesehen davon bewegte sie sich von mir beziehungsweise von seinem Zimmer weg.
Eine laute Stimme direkt hinter mir ließ mich zusammenzucken.
„Was um alles in der Welt machst du da?“
Erschrocken fuhr ich herum. Keine zwei Fuß von mir entfernt stand eine weitere Schwester, klein, so dick, dass ihr ohnehin schon weiter Kittel über ihrem Bauch spannte, mit schwarzen, verklebten Haaren, die unter ihrem Häubchen wie ausgelaufenes Altöl hervorkrochen. Ihr Gesicht war hochrot, ihre Augen fixierten mich durch starke, runde Brillengläser.
Noch völlig entsetzt von der Tatsache, dass sie mich sah, registrierte ich halbwegs, wie die junge Schwester antwortete und ich gar nicht gemeint war.
„Wie? Ich will zu meiner Schicht. Jannet und Mrs. Woodland ablösen.“
Ich drehte mich zur jungen Schwester um, die nun in unsere Richtung schaute. Sie war ungemein hübsch, was durch den gemischten Ausdruck von Erstaunen und leichter Empörung beim Antworten noch verstärkt wurde.
„Hat dir Paul am Eingang nicht Bescheid gesagt?“
„Nein, was denn?“
„Es gab einen schweren Unfall. Ein Schulbus. Die Notaufnahme ist ein einziges Chaos. Du musst sofort runter in OP 6 und Dr. Bennings helfen.“
Die junge Schwester stand noch einen Augenblick unschlüssig da.
„Nun los, Kind“, brüllte die Matrone hinter mir. „Jeder wird gebraucht, sofort! Jannet und Elisabeth müssen heute auf ihre Ablösung etwas länger warten.“
Jetzt brach das Pflichtbewusstsein bei der jungen Schwester durch, das sie wohl einst dazu angetrieben hatte, sich für diesen ehrenvollen Job zu entscheiden. Sie ließ ihren Rucksack an Ort und Stelle fallen und rannte auf mich zu. Instinktiv machte ich zwei Schritte zur Seite, obwohl ich kein Hindernis für sie dargestellt hätte. Zusammen mit der rundlichen Schwester verschwand sie im Hauptgang und anschließend im Fahrstuhl.
Jetzt wusste ich wenigstens, was es mit dem wilden Getrappel auf sich gehabt hatte, und warum es jetzt hier so still war. Aber Elli Woodland und Jannet mussten sich noch im Schwesternzimmer aufhalten. Keine Station, auch nicht in Notfällen, durfte unbesetzt bleiben. Soviel ergab die Logik.
Ich hatte die geschlossene Tür neben der großen Scheibe fast erreicht, als ich weitere Stimmen hörte. Diesmal in meinem Kopf.
Komm zu dir! Jul! Wir brauchen dich!
Nein! Lass ihn, er ist bei deinem Bruder!
Für einen Moment hatte ich das Bild unseres Wageninneren vor Augen. Daxx schüttelte mich an der Schulter. Alain musste es im Rückspiegel gesehen haben, zumindest wie ich mich hin- und herbewegte.
Nicht jetzt , dachte ich. Noch nicht.
Das Bild verblasste. Ich durchdrang die Tür und einen Teil der Wand. Doch was ich sah, entsprach nicht dem, was ich zu sehen gehofft hatte.
Es war das Schwesternzimmer, groß, und beinahe büroartig eingerichtet. Drei der Wände waren mit Akten- und Medizinschränken gesäumt, gefolgt von einigen Spinden. Die Überwachung der Patienten geschah mittels Computer, die auf einer Insel aus Tischen im Zentrum des Raums aufgebaut waren. Ein Monitor blinkte deutlich erkennbar rot auf, begleitet von einem dezenten Alarmsignal. Davor, zusammengekauert auf dem Fußboden, im Licht der kalten Neonbeleuchtung, lag eine der beiden Krankenschwestern, die andere in der Nähe der Tür. Keine von ihnen wies eine offensichtliche Verletzung auf, aber das musste nichts heißen. Ein hagerer Kerl, der aussah wie die fleischgewordene Vorstellung eines typischen Nazioffiziers, stand vor dem blinkenden Monitor, dessen Vitalanzeigen allesamt auf Null ruhten, und blickte gelassen abwechselnd auf den Bildschirm und die Tür. Einen schrecklichen Augenblick hatte ich das Gefühl, er könne mich sehen und wollte mich darauf hinweisen, dass
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