Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
zu.
„Vertrauen ist okay, Jul. Aber nur zu Menschen, die genau so gut oder sogar besser sind, als man selbst. Am wichtigsten ist, sich selbst zu vertrauen, deshalb musst du sehen, dass du der Beste wirst.“
Ich fand, dass seine Aussagen keinen Sinn ergaben, aber genau dass machte es mir unmöglich, weiter mit ihm zu diskutieren. Wenn ich je der Beste sein sollte, gäbe es niemanden mehr, auf den ich mich verlassen konnte. Aber eine Welt ohne Vertrauen wäre leer und außerdem konnte man nie sicher gehen, der Beste zu sein. Gab es nicht immer jemanden, der einen schlagen konnte?
Meinem verwirrten Schweigen entnahm der General einen Sieg. Ganz falsch lag er damit nicht. Er schob die losen Zettel zu einem ordentlichen Stapel zusammen und drückte ihn mir in die Hand.
„Wir verstehen uns, Jul. Jetzt wirf diesen Mist weg.“
Entmutigt folgte ich seiner Aufforderung und trug die Blätter zum Altpapier in die Küche. Meine Mum drehte sich am Tresen stehend so, dass mein Vater ihr Gesicht durch die Öffnung zum Wohnzimmer nicht sehen konnte. Sie warf mir einen zerknirschten Blick zu, dann blinzelte sie einmal und lächelte kurz. Sie signalisierte mir, dass die Schlacht verloren sei, aber nicht der Krieg. Sie würde weiterbohren und ich konnte mich auf sie verlassen, nicht, weil sie stärker war, sondern weil sie mich liebte.
10
Zwei Tage später, als ich von der Schule heimkam, erzählte mir meine Mum, dass sie von Eileen Gardener, einer Nachbarin vier Häuser weiter auf der anderen Straßenseite zum Kaffee eingeladen worden sei, dass sie sofort aufbrechen müsse, dass sie durch Mrs. Gardener eventuell Zugang zum hiesigen Komitee zur Rettung des örtlichen Leuchtturms bekommen könne und dass es wahrscheinlich spät würde. Ich freute mich für meine Mum und ihre erste neue Aufgabe in Cape Orchid und natürlich auch für mich. Zehn Minuten nach dem sie das Haus verlassen hatte, schüttete ich den Rest meines Mittagessens in den Abfallzerkleinerer, rannte hoch auf mein Zimmer, machte mich frisch und zog mich um. Ich wählte ein ärmelloses Basketballshirt von den Blazers – meinem damaligen Lieblingsteam, eine knappe Sporthose und Flip-Flops. Zum Schluss kam mein bislang ungenutztes Joop zum Einsatz. Ich bewahrte die Flasche in einer meiner Schubladen auf, statt im Badezimmer, da ich mir nicht sicher sein konnte, wie der General auf Luxusgüter dieser Art reagieren würde. Ich hatte das Eau de Toilette seit dem Kauf nicht einmal getestet. Der erste Einsatz sollte gleichzeitig mit einem Besuch bei Alain stattfinden. Es roch herrlich, süß und sinnlich zugleich, aber nicht aufdringlich. Jetzt hoffte ich natürlich, dass Alain überhaupt zu Hause sei, dass er Zeit hätte und dass er das Joop bei dem intensiven Rosenduft überhaupt wahrnehmen würde. Das Nachdenken über meine drei kleinen Sorgen wurde jäh unterbrochen, als mich plötzlich wieder das unheimliche Gefühl überkam, beobachtet zu werden. Im ersten Moment dachte ich an den General, der vielleicht unerwartet Heim gekommen war, wirbelte herum und sah lediglich meine offene Zimmertür. Wortlos und vorsichtig betrat ich den Korridor.
Niemand zu sehen.
„Vater?“
Nichts.
„Mum?“
Ich bekam keine Antwort. Dafür war das seltsame Gefühl wieder verschwunden. Zur Sicherheit sah ich mich im Erdgeschoss noch einmal um, ob nicht doch einer meiner Eltern im Haus war. Dann rannte ich über unser Grundstück und kroch durch den geheimen Zugang zum Rosengarten. Alain stand inmitten der für diese Gegend untypischen Apfelbäume – schließlich befand ich mich nun im Orange County –, als hätte er mich erwartet. Er trug ein engsitzendes, olivfarbenes Muscleshirt und halblange, orangefarbene Shorts. Ein Schock für jeden Modedesigner, aber einige wenige Menschen können einfach alles tragen und sehen immer noch wahnsinnig gut aus. In seiner rechten Hand hielt er einen langstieligen, runden Holzhammer.
„Julian, ich freue mich, dass du wieder da bist.“
„Hallo Alain. An einem so schönen Tag musste ich dich einfach wieder besuchen.“
„Hast du Lust, eine Partie Crocket mit mir zu spielen?“
„Klar, wenn du mir erklärst, wie das geht.“
„Das ist ganz einfach, fast so wie Minigolf.“ Er nahm einen zweiten Hammer, der an einen Baumstamm gelehnt war und kam damit auf mich zu. Nah. Sehr nah. Ich war in dem Moment etwas irritiert. Ich wusste nicht, ob ich ihm die Hand geben, ihn umarmen oder sogar küssen sollte. Stattdessen drückte er
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