Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
vorhergehenden Nacht, teils wegen meines Albtraums. Während ich frühstückte und meine Mum ihre zweite Tasse Kaffee trank, sagte sie mir, dass es meinem Vater tatsächlich etwas leid tun würde. Er hatte sich nicht wirklich bei ihr entschuldigt, aber ein paar belanglose Floskeln benutzt, die in seinem Fall etwas Vergleichbares darstellten. Sie hatte ihr Veilchen überschminkt, so gut es ging. Abgesehen von meinen Kopfschmerzen hatte ich mir lediglich eine blutige Nase geholt. Zum Glück, denn ich hielt nichts von Make-up, schwul oder nicht.
Als der General am Nachmittag Heim kam, war ich gerade damit beschäftigt, den Rasen zu mähen. Er winkte mir vom Gartenweg beiläufig zu und verschwand wortlos im Haus. Beim Abendessen sprachen wir ein wenig über belanglose Dinge, aber mit keiner Silbe wurde die vorhergehende Nacht erwähnt. Nicht an dem Abend und auch zu keinem anderen Zeitpunkt mehr.
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Obwohl meine Mum nun Bescheid wusste, vermied ich es sowohl am Wochenende, als auch an den drei darauf folgenden Tagen, Alain zu besuchen. Es wäre möglich gewesen – der General war oft genug unterwegs – aber aus irgendeinem Grund wollte ich es so. Vielleicht hatte ich Angst, es brächte Unglück, mit dieser Tradition zu brechen. Andererseits durfte an dem folgenden Donnerstag nichts schief gehen, denn es war der Tag vor dem vierten Juli, an dem ich aus einer weit weniger schönen Tradition heraus Zeit mit meinen Eltern verbrachte, in der wir den Umzug in der Stadt besuchten und uns später gemeinsam das Feuerwerk ansahen. Da der riesige Stützpunkt, den mein Vater nun befehligte, so nah an Cape Orchid lag, dass er quasi als Stadtteil fungieren konnte, war es nur logisch gewesen, dass sich das Organisationskomitee an ihn gewandt hatte. Sie baten ihn, die Truppen für den Umzug zu bestimmen und – natürlich – selbst an der Parade teilzunehmen, was er durchaus begrüßte.
Dem General war der Unabhängigkeitstag wichtiger als Thanksgiving, Weihnachten und Ostern zusammen. Als Kind fand ich das ebenfalls toll, aber mit zunehmendem Alter verband ich den Sieg der Emigranten über die britische Krone als letzten Schritt einer wilden Horde Europäer, die es letztendlich geschafft hatten, einen fremden Kontinent für sich zu beanspruchen und sukzessive ganze Indianervölker auszurotten.
Mit dieser Meinung hielt ich mich natürlich zurück, denn das war eine der wenigen gemeinsamen Unternehmungen, bei denen mein Vater nicht nur sehr umgänglich, sondern generell bester Laune war.
Als ich am besagten Donnerstag aus der Schule kam, war unser Haus erwartungsgemäß leer. Also hatte sich meine Mum doch nicht vom General einschüchtern lassen. Freudig schlüpfte ich in ein Paar frische Shorts, zog meine Flip-Flops an und streifte mir ein am Wochenanfang gekauftes Muscleshirt über. Mein erstes. Bislang wollte ich so etwas nicht tragen, aber auf unerklärliche Weise wuchsen meine Muskeln mit ähnlich atemberaubender Geschwindigkeit wie meine Haare. Eine Nebenwirkung der Liebe?
Alain war nicht im Garten, aber die Terrassentür stand wie immer offen. In der Villa war es kühl und still, abgesehen von den leise im Hintergrund laufenden Nachrichten. Ein verrücktes Bild tauchte plötzlich vor meinem geistigen Auge auf: Was, wenn ich Alain mit abgetrenntem Kopf in einer riesigen, getrockneten Blutlache fand? Ich schüttelte mich, ging in den Korridor und nachdem mir keine Katze zu Hilfe kam, rief ich seinen Namen.
„Ich bin hier oben, im zweiten Stock. Komm rauf.“
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich lief die Treppe hinauf, blieb stehen und schaute mich suchend im Flur um. Alain streckte seinen Kopf aus dem vorletzten Zimmer auf der linken Seite.
„Hier hinten.“
Erleichtert rannte ich zu ihm. Das Zimmer war groß, nicht so riesig wie die Halle, aber um einiges größer als sein Schlafzimmer. Dafür bar jeglicher Einrichtung, abgesehen von ein paar Planen und Laken auf dem Fußboden, unzähligen Eimern und Töpfen mit Farbe, Pinsel und Walzen, einer Leiter und einem alten Radio, in dem leise Fünfziger-Jahre-Musik lief. Alain trug eine weite, ehemals weiße Latzhose, die nun einige Farbkleckse zierte, sonst nichts. Allein bei dem Anblick wurde mir schon wieder heiß und kalt. Er strahlte über sein ganzes Gesicht, das ebenfalls von kleinen Farbspritzern bedeckt war.
„Ich freue mich, dass du gekommen bist.“
„Hattest du etwa daran gezweifelt?“
„Nein, nicht wirklich. Aber ich hatte unser
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