Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
berührt hatten. Der Alkohol zeigte zwar keine Wirkung auf mich, aber seinen Geruch und seinen Geschmack konnte ich sehr wohl wahrnehmen. Mehr und mehr versank ich in den künstlerischen Traumzustand, der alles außerhalb der Leinwand und der Farben ausklammerte, der Zustand, den wohl nur Maler, Autoren und Komponisten kennen. Lediglich Nino Rota schaffte es, mit seinem Liebesthema aus Romeo and Juliett zu mir durchzudringen. Unbemerkt fand eine Träne ihren Weg meine Wange hinab.
Sonntag, 24. Juni 2012 – 9:17 Uhr
Cape Orchid
Allgemeine Raumzeit -
Eine warme Zunge leckte über mein Gesicht. Ich räkelte mich mit geschlossenen Augen, stöhnte leise und drehte mich auf den Rücken. Ein sanfter Druck auf meinem Schlüsselbein, dann wieder die Zunge. Ich öffnete meine Augen.
„Dina!“
Ich schrak hoch und wischte mir über das Gesicht. Die Katze sprang zurück.
„Bäh. Du ekeliger Waschlappen!“
Verschwommen ragte der Keilrahmen über mir auf. Erstaunt betrachtete ich mein Werk der letzten Nacht, konnte ich mich doch nicht mehr erinnern, so weit gekommen zu sein. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass ich irgendwann eingeschlafen war. Die nackten Körper von Sinh und Daxx waren fast vollständig ausgearbeitet; die Beine und Füße von Sinh – er musste der auf der schwarzen Hälfte des Yin & Yang-Symbols sein – bislang nur flächig angelegt. An der Stelle musste ich eingeschlafen sein, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte. Ich hatte nicht einmal bewusst mitbekommen, überhaupt so lange gearbeitet zu haben. Egal. Stolz betrachtete ich das fast fertige Bild, vom Licht der Morgensonne umschmeichelt, begleitet von den euphorischen Klängen der Monkees, die passender weise Pleasent Valley Sunday zum besten gaben.
Am liebsten hätte ich sofort weitergemalt, aber kleine Pflichten gingen vor. Ich machte Dinas Frühstück – sie hätte mich sonst eh nicht in Ruhe gelassen – schmiss mir etwas Wasser ins Gesicht und putzte meine Zähne, aus Gewohnheit. Ich war mir meines Grinsens im Badezimmerspiegel durchaus bewusst.
Nachdem ich die eingetrockneten Pinsel ausgewaschen hatte, machte ich mich an die restliche Arbeit. Gerade war ich mit Sinhs hellen Fußsohlen beschäftigt, als sich Jay and the Techniques bei Apple, Peaches, Pumpkinpie in ein statisches Rauschen verwandelten, laut und ohrenbetäubend. Erschrocken ließ ich den Pinsel fallen. Meine Umgebung zitterte, dann wurde es dunkel und ich fand mich im Keller wieder. Dieses Mal schien es kein Tennisball, sondern ein Baseballschläger gewesen zu sein, der mich am Kopf traf. Ich zuckte unter dem Schmerz zusammen. Ein Junge in meinem Alter mit langen, braunen Locken, die ihm über die Augen fielen, stand vor dem Weinregal und hielt eine der Flaschen in seinen Händen. Als er mich sah, ließ er sie vor Schreck fast fallen, gerade so wie ich zuvor meinen Pinsel, nur, dass er nachgriff und den Wein auffing.
„Chi sei?“ fragte er entsetzt.
„Äh ...“, antwortete ich dümmlich.
Er trug ein weißes Rüschenhemd und eine eng anliegenden, braune Stoffhose, aber genau wie ich weder Schuhe noch Socken. Er legte die Flasche in das Regal zurück und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Erschrocken wich ich zurück.
„Cosa fai qui? Come sei entrato qui? Parla!“
„Ich ... ich verstehe dich nicht. Wer bist du und was tust du hier?“
„Come?“
Er streckte seine Hände nach meinen Schultern aus, aber die Berührung spürte ich nicht mehr. Im nächsten Moment stand ich wieder vor meiner Leinwand, das Bild des jungen Mannes noch immer vor Augen. Ich blinzelte ein paar Mal, was sich sofort als Fehler herausstellte, da jeder Lidschlag einem Hieb mit einem Vorschlaghammer glich. Statt meines Ateliers sah ich unsere Küche in Cape Orchid. Am Tisch saßen meine Mom und der General.
„Ich habe dich etwas gefragt“, sagte er in dem für ihn typischen Befehlston. „Passt es dir nicht, wenn dein Vater zu Hause ist?“
Der Schock, den General zu sehen, war zu groß. Zudem ließen die heftigen Kopfschmerzen kein klares Denken zu. Mein Mund war trocken, ich musste ausgesehen haben, wie ein Reh im Scheinwerferkegel eines heranrasenden Autos. Ich ließ meinen Rucksack zu Boden fallen.
„Ach Ernest, rede doch nicht so. Er hat nur nicht mit dir gerechnet, stimmt’s, Julian?“
„Wo bin ich?“
Alles war irgendwie still.
„Was soll das heißen, wo bin ich? Wenn das deine Vorstellung von Rebellion gegen dein neues
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