Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
und versuchte mich in meiner Panik so gut zu konzentrieren, wie es mir möglich war. Ich spürte die Schmerzen jetzt deutlicher.
„Aufhören.“
Jetzt war es nicht mehr als ein Wimmern. Das Summen wurde tiefer, dann abgehackter, und dann irgendwann, erkannte ich es als das Geräusch zirpender Grillen. Langsam hob ich meinen Kopf aus der schützenden Festung meiner Arme. Der Wecker auf meinem Nachttisch zeigte 4:57:06 Uhr an.
4:57:07.
4:57:08.
4:57:09.
Die Zeit lief normal weiter. Eine Sekunde benötigte eine Sekunde, um zu vergehen. Ich setzte mich auf die Bettkante, verbarg mein Gesicht in den Handflächen – diesmal weniger zum Schutz, eher zur Resignation. Hatte ich die Beschleunigung ausgelöst? Unterbewusst? Im Schlaf? Ja, so musste es gewesen sein, aber ich wollte es nicht glauben, nicht wahrhaben. Da die Zeit so schnell ablief, als ich aufwachte, konnte ich nicht lange geschlafen haben, denn die Datumsanzeige am Wecker bewies, dass es der Morgen des folgenden Tages war, nicht der des nächsten oder übernächsten. Aber was bedeutete das schon? Beim nächsten Mal könnte ich wie Dornröschen eine Ewigkeit hier liegen und erst Jahre später nach normaler Zeitrechnung wieder aufwachen. Was wäre dann mit Sinh und Daxx? Würden sie altern und verschwinden? Oder mich finden, versuchen zu wecken, vielleicht einen Arzt rufen, weil ihnen die wenigen Sekunden, die ich zum Aufwachen benötige wie Stunden vorkämen? Wie würden sie dann reagieren, wenn sie feststellten, dass der Arzt die Villa zwar betreten kann, aber mich nicht sehen würde, wie damals die Polizisten, die nach mir und dem General gesucht hatten?
Das Pochen in meinen Schläfen ließ langsam nach und ich versuchte, mich zu entspannen. Jetzt war es wichtiger denn je, Antworten zu finden. Ich machte mir Sorgen um die Villa, ihr Fortbestehen und meine Aufgabe. Aber in Wirklichkeit dachte ich an Sinh und Daxx und an ihre Zukunft. Was würde mit ihnen geschehen, falls ich versagte?
Nach einem kurzen Abstecher unter die Dusche und in die Küche, um mir einen starken Kaffee zu kochen, setzte ich mich im Bademantel an meinen neu erworbenen Rechner. Alle meine Hoffnungen beruhten nun auf einer Handvoll Sand, die zu komplizierten elektronischen Schaltungen verarbeitet worden war.
Grundsätzlich hatte sich nicht viel an der Computertechnologie in den letzten fünfzehn Jahren geändert. Sicher, alles war viel schneller, opulenter und größer geworden, teilweise komfortabler, und teilweise umständlicher, wie ich fand. Der Vergleich zu Automobilen kam mir in den Sinn: 1997 gab es eine Menge Sonderausstattung, die es 1982 noch nicht gegeben hatte, aber letztendlich waren es immer vier Reifen, ein Motor und ein Lenkrad. So auch hier. Die verschwundenen Fernsehprogramme waren im Internet wieder aufgetaucht, als öffentliche Streamingsender oder als downloadbare Filme und Serien, vergleichbar mit dem damaligen Kabelfernsehen. Bei dem Wort Kabelfernsehen fiel mir ein, dass ich in dem Kaminzimmer keine Telefonbuchse hatte. Ich blickte unter den Tisch, aber abgesehen von der Steckdose zur Stromversorgung war mein Computer mit nichts anderem verbunden. Egal, es funktionierte, darauf kam es mir an.
„Also los, Holmes, dann zeig mal, was du kannst.“
Als ich dieses Zimmer am gestrigen Morgen – oder Nachmittag – gereinigt hatte, war mir mein Fehler bewusst geworden, den ich bei meinen Nachforschungen in den alten Zeitungen auf dem Dachboden gemacht hatte. Statt mich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren, hatte ich alles gelesen. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Ich aktivierte die Suchmaschine und sagte: „Orange Orchid News, Archiv.“
Auf dem großen Bildschirm erschien der Kopf der mir vertrauten Zeitung, darunter in einer Tabelle die Jahreszahlen von 2012 bis 1946, in absteigender Reihenfolge, und verschiedene Links.
Ich klickte den Suchbutton an.
„Anzeigenmarkt, Grundstücksmakler, 1997.“
Eine neue Tabelle erschien, unterteilt in die Monate Januar bis Dezember.
„Yellow Road.“
In der Tabelle verschwanden die Einträge von Juni bis Dezember komplett, eine einzige, wiederkehrende Anzeige der Sonntagsausgabe von Februar bis Mai blieb bestehen, die für unser altes Haus, in dem nun Sinh und Daxx mit ihrem Vater lebten. Mai, 1997. Ich erschauderte, als ein Schatten der Vergangenheit über meinen Arm strich und eine Gänsehaut erzeugte, stellte mir vor, wie mein Vater mit RE/MAX den Handel perfekt gemacht hatte,
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