Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
Erst jetzt kam es mir in den Sinn, dass ihn der Gedanke an das Bevorstehende vielleicht ebenso mitnahm wie mich. Ich war unfair gewesen. Alain war genau so wenig ein kaltblütiger Killer wie ich einer war; der einzige Unterschied zwischen uns bestand lediglich darin, dass er vor mir von der Situation und den Konsequenzen erfahren hatte.
„Wir müssen frisch und ausgeruht sein. Besonders du, mon ami.“
„Wieso?“
„Später. Was ist mit deinem neuen Freund? Ist er in Ordnung?“
„Sie sind beide okay.“
„Beide?“
„Ja, beide. Sinh und Daxx. Was ist los mit dir?“
„Was meinst du?“
Ich sah Alain an. „Hallo? Es sind Zwillinge. Sag bloß, das ist dir nicht aufgefallen?“
„Wer?“
„Sinh und Daxx. Die beiden Jungs, die jetzt gemeinsam unter der Dusche stehen.“
„Wovon sprichst du?“
„Von den beiden, mit denen du mich eben ... na ja, erwischt hast.“ Es war seltsam. Obwohl ich wusste, dass meine Beziehung zu Sinh und Daxx eine Folge des natürlichen Ablaufs in der Villa darstellte, überkam mich plötzlich das Gefühl, Alain betrogen zu haben. Wenn er wirklich direkt nach seinem Verschwinden 1997 hierher zurückgebracht worden war, war für ihn unsere Beziehung vielleicht nur ein paar Tage her, eben so lange, wie es gedauert hatte, ihn zu instruieren und zu mir zu schicken.
„Häh?“
„Stellst du dich jetzt absichtlich dumm? Ich rede von den zwei Jungs, die du rausgeschickt hast.“
„Aber da war nur einer. Ein Farbiger. Durchtrainiert und bildschön.“
„Nein. Zwei.“ Geh weg, Eifersucht.
„Nimmst du Drogen, Julian?“
„Zentnerweise“, antwortete ich automatisch. „Soll das heißen, du hast nur einen gesehen?“
„Ja. Wo war denn der andere?“
„Das gibt es doch nicht. Er war hier mit uns allen zusammen im Zimmer. Sie sind gemeinsam duschen gegangen, direkt an dir vorbei.“
„Das will ich sehen.“
Ich sprang auf und hielt Alain an der Schulter fest. „Das lässt du schön bleiben.“
„Was soll das denn jetzt schon wieder heißen? Glaubst du, ich will ihn dir wegnehmen?
„Sie.“
„Was?“
„ Sie wegnehmen, nicht ihn . Und nein, das glaube ich nicht.“
„Gut. Das könnte ich nämlich gar nicht. Außerdem würde ich es nicht wollen. Obwohl, er sieht wirklich nicht schlecht aus. Wir könnten doch teilen, du bekommst den Unsichtbaren und ich –“
„Alain!“
Er lachte und gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf. „War doch nur Spaß, mon ami.“
„Bei deinen Späßen kommt der Stuck von der Decke. Wie wäre es, wenn du mir stattdessen erklärst, wie du dir alles weitere vorstellst. Ich kann ja nicht mal die Villa verlassen.“
„Das ist nicht ganz richtig. Aber vielleicht sollten wir trotzdem warten, bis die beiden zurück sind, dann muss ich nicht alles zweimal sagen.“
„Okay, das klingt vernünftig.“
Alain rückte seinen Sessel wieder neben den Tisch und wir nahmen Platz.
„Du hast eine neue Frisur“, sagte ich. Das war die Veränderung, die mir gleich im ersten Moment aufgefallen war, aber erst jetzt wurde sie mir bewusst.
„Ein kleiner Luxus, den ich mir in der kurzen Zeit zwischendurch geleistet habe. Gefällt sie dir?“
Alain hatte seine schönen langen Haare bis auf ein, zwei Inches abschneiden lassen, die Seiten und den Nacken anrasiert, sie schwarz gefärbt und die Spitzen hellblond. Das Ganze war mit viel Gel zu einer Igelfrisur hochgedreht.
„Früher hast du mich immer ein wenig an Sandy Ricks aus der Serie Flipper erinnert. Aber steht dir wirklich gut.“ Das stimmte. Alain gehörte zu den Menschen, die sich eine Mülltüte überstülpen könnten und immer noch fantastisch aussehen würden.
„Und du erinnerst mich mit deinem verträumten Blick immer an Chad Lowe aus den Achtzigern, den kleinen Bruder von Rob Lowe. Kennst du den? Zum Beispiel aus Highway to Hell ?“
Ich verneinte und füllte mein Glas mit Whiskey pur nach. „Möchtest du auch einen?“
„Kann nicht schaden.“
Ich konzentrierte mich kurz und ließ ein viertes Glas entstehen.
„Das hast du mittlerweile recht gut im Griff“, sagte Alain, während ich ihm einschenkte. „Aber du solltest deine Kräfte und die der Villa schonen. Dazu gehört auch, dass du von jetzt an die Gedanken deiner beiden Nachfolger nicht mehr liest.“
„Ist klar“, antwortete ich kurz. Diese Fähigkeit hatte ich völlig vergessen. Alain hatte damals oft meine Gedanken und die meines Umfelds gelesen, und nach
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