Soehne des Lichts
der Nachtlichter, schlangengleich.
„Wer bist du? Warum verfolgst du mich?“, stammelte Garnith bestürzt. Sie lächelte nur schweigend und wies nach oben in den Himmel. Automatisch folgte Garnith der Geste und zuckte geistig vor dem Anblick der voll gerundeten Mondscheibe zurück. Als er wieder zum Pfeiler sah, war sie verschwunden.
„Ti, ich rufe deinen Namen, sieh herab auf deinen Diener: Ich habe gesündigt und flehe um deine Gnade“, wisperte er furchtsam. Dreimal schlug er das heilige Sonnenzeichen, bei dem er mit Zeige- und Mittelfinger erst das Herz, dann die Stirn berührte und dabei einen vollkommenen Kreis beschrieb. Danach rannte er los, so rasch seine alten Beine es vermochten. Über die Brücke, eine weitere Treppe hinab, hinein in die Menschenmenge. Er rannte blind, folgte mal dieser, mal jener Straße, rempelte mal rücksichtslos Leute beiseite, um über belebte Plätze zu gelangen, mal hastete er durch einsame Gassen, in denen es kein Licht gab, außer Pyas tückischen Silberglanz. Als Erschöpfung ihn zwang anzuhalten, starrte Garnith wild um sich. Er wusste nicht, wo er war, es interessierte ihn auch nicht. Hauptsache, das schwarze Weib war nicht hier! Doch die Hoffnung war vergebens: Sie lehnte an einem Hauseingang und winkte ihm zu.
Aufschreiend wirbelte Garnith herum, rannte ziellos, gleichgültig, wohin seine Füße ihn trugen. Ein weitläufiger Platz voller Marktstände, geschlossen für die Nacht. Der Gestank von Kohl und fauligem Gemüse lag in der Luft. Er schöpfte kurz Atem, sicher, ihr diesmal entkommen zu sein – da war sie, thronte auf einem Holztisch und wirkte völlig entspannt. Stumm raste Garnith weiter, zu erschöpft, um die Todesangst noch wirklich zu spüren. Der Tempel, er musste zurück zum Tempel! Warum gab es keinen Weg, der nach oben führte?
Ein kleines Amphitheater öffnete sich vor ihm – die dunkle Frau balancierte anmutig auf dem Geländer, das die unteren Ränge von der Bühne trennte. Garnith rannte und rannte, auf der Suche nach dem Rückweg zum Tempel. Er erreichte einen dunklen Park, von denen es so viele in Roen Orm gab, kleine Ansammlungen von Bäumen und Sträuchern, ein paar Blumen um einen Brunnen oder eine Statue herum, so etwas liebten die Menschen. Mit zitternden Händen schöpfte er Wasser aus dem Brunnen, trank einen hastigen Schluck. Sein rastloser Blick durchbohrte die Finsternis, fiel auf eine Gestalt, die regungslos auf einer Bank hockte.
„Weiche zurück, Kreatur der Dunkelheit!“, schrie Garnith verzweifelt und warf eine magische Feuerkugel. Doch die prallte wirkungslos ab, erhellte lediglich die Frauengestalt. Es war nicht das Weib mit den schwarzen Haaren, sondern eine spitzohrige Elfe. Eine Elfe, in Roen Orm! Hell schimmernde Augen musterten ihn, Zorn und Abscheu waren in das liebliche Gesicht geschrieben.
„Ich sehe dich sterben, Mörder! Auf hunderte verschiedene Weisen. Eine ist schöner als die andere. Ich sehe dich büßen, für all deine Sünden. Dein Gott verachtet dich, Garnith. Du hast nicht für Tis Ehre gelebt, sondern für deine verdorbene Leidenschaft. Du hast Menschen gefoltert und getötet, einfach nur, weil du die Macht dazu hattest. Der feurige Gott vergibt dir, Garnith, denn das entspricht seinem Wesen. Doch er vergisst nichts von dem, was du getan hast.“
Die grausam schöne Stimme sprach in seinem Geist, sprach von den schlimmsten Ängsten, die ihn jede Nacht quälten. Er presste die Hände gegen die Ohren, kreischte laut, um die Stimme auszusperren. Umsonst, es gab kein Entrinnen, sie war überall, sie war in ihm.
„Geh weg! Geh weg von mir, du bist nicht wirklich! Niemals kann eine Elfe in diese Stadt gelangen!“
„Und Hexen auch nicht?“ Eine andere Stimme flüsterte in sein Ohr. Garnith fuhr herum, starrte in die gnadenlosen Augen der dunklen Jägerin.
„Die Töchter der Dunkelheit respektierten deine Macht, Garnith. Es war Teil der Ordnung, dass du dich in die Politik eingemischt, den König betrogen, die Adligen wie Marionetten geführt hast. Es war niemand böse darüber, dass du den Kampf der Prinzen um die Vorherrschaft beeinflussen wolltest. Aber was du getan hast, um Ilats Verstand zu verkrüppeln, die Magie, die du missbrauchtest, um Thamars Tod hinauszuzögern, das war gegen jedes göttliche Gebot. Dein Gott hasst dich nicht, Garnith von Roen Orm, doch er wird dich niemals mehr lieben. Die Göttin der Dunkelheit verweigert dir jede Gnade, denn sie ist gerecht. Gerecht, nicht gütig. Du
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