Soehne des Lichts
weiter.“
Olleg packte das Essgeschirr und wartete ungeduldig, bis Thamar den letzten Schluck Bier genommen hatte, bevor er ihm den Trinkbecher entriss.
„So, nun raus mit dir, die Tür da, das erste Zimmer links. Ich schließe dich ein, damit du mir keinen Ärger machst, klar? Wenn was ist, ruf eben.“ Sein Tonfall ließ keinen Zweifel, dass sein Gast einen wirklich wichtigen Grund haben sollte, bevor er zu rufen wagte.
Wenige Augenblicke später rollte Thamar sich auf seinem Bett zusammen, eine leidlich frisch gestopfte Strohmatratze, darüber einige nur leicht angestaubte Laken. Die Decken waren
angenehm warm, alles war soweit sauber und gepflegt. Das erste Bett seit viel zu langer Zeit. Wäre nicht der Sturm gewesen, der das alte Gemäuer ächzen und knarren ließ und die Sorge um seine Gefährtin, allein dort draußen inmitten der wütenden Elemente, hätte Thamar seine Unterkunft genießen können. Er schloss die Hand um die kleine Nola-Kristallfigur und schickte ein inniges Gebet an die göttlichen Geschwister, auch wenn er wusste, dass er damit das Schicksal nicht ändern würde.
~*~
Avanya saß auf einem niedrigen Felsen, die Beine seitlich angewinkelt, und ließ sich von dem Sturm umtosen. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so stark gefühlt, so frei, so erregt bis in die Fingerspitzen! Sie kannte das Gefühl, von Energie durchflutet zu werden, aber nur in Mischung mit Angst. Angst zu töten, Angst, getötet zu werden, Angst, alles zu verlieren was sie liebte. Dies hier hatte nichts damit zu tun. Ein wenig Furcht, von einem der wild zuckenden Blitze getroffen zu werden war gewiss dabei, doch am Rand ihres Bewusstseins. Avanya genoss den eisigen Wind, der ihren Körper peitschte und ihr langes Haar wie ein Banner wehen ließ. Sie liebte, bis auf die Haut durchnässt zu werden von Regen und Hagel. Die Gewalt, mit der die Dunkelheit wieder und wieder zerrissen wurde, der rollende Donner, der tiefste Urinstinkte ansprach, all das begeisterte Avanya. Sie schrie aus voller Kehle, forderte den Sturm auf, noch stärker zu werden, sie zu rauben, wenn er es konnte, und lachte gleichzeitig über sich selbst. Ihre Finger klammerten sich an den Gesteinsbrocken, Avanya zog Kraft aus diesem Kind der Erde, während das entfesselte Element der Luft ihren Körper durchschüttelte.
Erst viele Stunden später, als der Sturm an Macht verlor, wurde ihr bewusst, dass sie genau diese Kraft der Erdenergie gesucht hatte. Es füllte ein wenig die Leere in ihrem Inneren. Ohne ihren Kristall war sie nackt. Er war es, der sie mit ihrem Volk verband. Solange sie den Anhänger noch besaß, war sie eine Nola. Avanya wusste selbst nicht, warum sie ihren Schatz, das Kostbarste, was sie ihr Eigen nannte, in Thamars Hände gegeben hatte. Er war doch nur ein Mensch! Gewiss, ein guter Mensch, ein Freund, den sie sehr schätzte, aber er ahnte ja nicht einmal, was der Kristall wirklich bedeutete. Nun, es war eine spontane Entscheidung gewesen, in dem Moment hatte es sich richtig angefühlt.
Avanya beschloss, nicht weiter zu hadern und rutschte mit steifen,
vorsichtigen Bewegungen von dem Felsen hinunter. Zeit, sich ein möglichst trockenes Eckchen zu suchen, in dem sie den Rest der Nacht verbringen konnte. Thamar würde sich sorgen, wenn er sie so nass und sturmzerzaust finden würde!
Etwas verwirrt blickte sie um sich. Sie konnte sich nicht orientieren, so als wären all ihre Sinne gedämpft worden. Es dauerte etwas, bis sie verstand: Regenwasser tropfte aus ihren Haaren und drängte in ihre empfindlichen Ohren. Die Kälte und der Wind hatten ihre Augen zum Tränen und die Nase zum Fließen gebracht. Ihre Sinne waren tatsächlich gedämpft, ähnlich als hätte sie den Kopf unter eine dicke Wolldecke gesteckt. Blind tastete sie sich durch die Finsternis, fluchte über ihre eigene Ungeschicklichkeit, als sie über eine Wurzel stolperte. Höchste Zeit, sich einen sicheren Unterschlupf zu suchen!
Avanya schniefte leise und tastete sich voran zum Waldrand. Irgendetwas witterte sie, einen vertrauten Geruch, was war das bloß?
Ihre Hände schlossen sich um einen glatten Baumstamm. Erleichtert hielt sie sich daran fest, jetzt waren es nur noch wenige Schritte zum dichten Unterholz. Unter einem der Sträucher würde sie sich verkriechen und auf den Morgen warten können.
Der Baumstamm bewegte sich unter ihren Händen. Seltsam, die Rinde fühlte sich warm an ...
Eine Schockwelle traf Avanyas Bewusstsein, als ihre
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