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Soehne des Lichts

Soehne des Lichts

Titel: Soehne des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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verstopfte Nase endlich den Geruch erkannte. Mit lebenslang geschulten Reflexen sprang sie rückwärts, zog gleichzeitig ihr Schwert. Doch bevor sie in Kampfposition gehen konnte, wurde sie an den Haaren gepackt und hochgerissen. Der Geruch nach Erde und Weißlappenmoos hüllte sie ein, starke Hände raubten ihre Waffe.
    „Nurkk?“
    Die Chyrsk waren offenbar kein bisschen weniger erschrocken und verwirrt als sie selbst über dieses merkwürdige Zusammentreffen, aber sie reagierten ebenso schnell wie Avanya zuvor. Bevor Avanya versuchen konnte sich freizuzappeln, traf ein harter Schlag ihren Schädel. Schmerz, Übelkeit, wild zuckende Lichtreflexe vor ihren Augen, rasender Schwindel, noch mehr Schmerz. Sie hörte ein Stöhnen und begriff kaum, dass es aus ihrer eigenen Kehle stammte. Grobe Hände warfen sie in die Höhe, sie landete auf etwas, das sich in ihren Magen bohrte. Beine und Kopf, oh, dieser schrecklich schmerzende Kopf, baumelten frei herunter. Avanya konnte nicht atmen, war zu elend, um wirklich zu verstehen, dass ein Chyrsk sie über seine Schulter geworfen hatte.
    Ihr letzter Gedanke, bevor sie sich der friedlichen Bewusstlosigkeit ergab, galt Thamar. Sie hatte versprochen, hier auf ihn zu warten. Sie würde ihr Versprechen nicht halten können.
    Vergib mir …
     
    ~*~
     
     
    Mit geballten Fäusten stand Thamar zwischen den Bäumen und versuchte, nicht laut aufzuschreien. Es war schwierig gewesen, eine Spur von Avanya zu finden. Nach dem gestrigen Sturm waren die Temperaturen rasch gefallen, eine dünne Frostschicht überzog den matschigen, vom Regen aufgeweichten Waldboden. Als er endlich Spuren fand, wusste er zumindest, dass sie nicht versucht hatte, ihn im Stich zu lassen, aber er wünschte nun, sie hätte es getan. Ein würdevoller, selbst gewählter Freitod, oder ewiger Schlaf, geschützt von Kristallmagie, die er nicht einmal ansatzweise verstand, war hundert Mal besser als von irgendwelchen Trollen entführt und zu Tode gefoltert zu werden!
    Thamar war kein guter Jäger. Zu seiner Zeit hatte es nur selten Jagdgesellschaften in Roen Orm gegeben, wegen der beständigen Bedrohung durch die Elfen. Später im Exil hatte er keinen Grund gehabt, durch die Wälder zu pirschen, wenn die Hexen es nicht vom ihm verlangten, damit er seine Sinne schulte. Viele seiner Getreuen waren großartige Fährtenleser und Jäger, warum sollte er sich damit abmühen? Doch es gab keinen Grund, diese Nachlässigkeit zu bereuen, denn die Chyrsk hatten gar nicht erst versucht, ihre Fährte zu verwischen. Thamar rannte der Spur nach, die von vielen schweren Trollfüßen gelegt worden war. Flüchtig betete er, dass es tatsächlich Tunneltrolle gewesen waren, er wollte nicht wissen, ob es noch andere Lebewesen gab, die solche riesigen Abdrücke hinterlassen konnten. Thamar rutschte immer wieder auf dem halb gefrorenen Boden aus, schlug mehr als einmal schmerzhaft der Länge nach hin, prallte gegen Baumstämme, schrammte an Zweigen entlang, rollte einmal einen Abhang hinunter, den er schlicht übersehen hatte. Er war ein Krieger, ein Königssohn, ein Exilant. Er war vieles, ein Waldläufer war er nicht. Im Moment kümmerte ihn das nicht. Seine Wut trieb ihn, seine Angst, seine tiefe Verzweiflung darüber, eine Gefährtin im Stich gelassen zu haben.
    Verfluchter Sturm! Halbblind stolperte er über einen umgestürzten Baum, schlug hart mit dem Kinn gegen einen Ast, sodass er erst einmal rote Lichtblitze vor den Augen sah und der Schmerz ihn zwang, benommen liegen zu bleiben. Erst jetzt spürte Thamar, dass er fror. Es war kalt und es schien mit jeder Minute noch kälter zu werden. Winzige Schneeflocken tanzten um ihn herum, legten sich feucht auf seine Wangen, sein hektischer Atem gefror in der Luft. Langsam zog er sich in die Höhe, blieb allerdings erst einmal sitzen, den Kopf gegen den verwitternden Stamm gestützt. Sein Kinn schmerzte und blutete, das würde aber wohl kaum mehr als ein hässlicher blauer Fleck werden. Er hatte noch weitere blutige Schrammen, keine davon bedrohlich. Nichts gebrochen.
    „Pures Glück!“ Er schnaubte kopfschüttelnd. Was hatte er sich nur dabei gedacht, wie ein wütender Eber durch den Wald zu rennen? Er wollte Avanya helfen, stattdessen hätte er sich beinahe selbst umgebracht.
    Von da an bewegte er sich mit wesentlich mehr Vorsicht, bemühte sich, schnell und trotzdem lautlos der Fährte zu folgen. Es dauerte nicht lange, da verschwand die Spur plötzlich. Auch ohne die geschulten Augen

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