Soehne & Liebe der Nacht
geworden, wenn sie nicht gestorben wäre?“
„Man wird ein guter Mensch, wenn man mit Liebe erzogen wird, dann spielt es keine Rolle, ob Vater oder Mutter einen in die Arme genommen haben. Wir hatten beides nicht, unter diesen Umständen ist das bestmögliche aus uns geworden“, fasste Michael ihr beider Schicksal zusammen.
„Hm“, knurrte Henry, „verlieren wir nicht unser Ziel aus den Augen.“ „Richtig, ich muss dort vorn abbiegen.“ Vorfreude klang in Michaels Stimme mit.
„Genieße das Blutvergießen“, murmelte Henry.
Michael sah ihn fragend von der Seite an, er hatte die Halbherzigkeit in Henrys Stimme nicht überhört. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er vorsichtig.
„Meine Gedanken gelten schon der Auferstehung des Schöpfers — das ist alles. Musst du nicht hier abbiegen?“ „Viel Spaß mit der Auserwählten. Wir sehen uns später.“ Michael wandte sich von Henry ab und wurde von der Dunkelheit in der Gasse verschlungen. Henry sah Michael hinterher, der ohne Zweifel war. Er wünschte, er könnte dasselbe über sich sagen.
17
Mit wild klopfendem Herzen nahm Lara den Briefumschlag in die Hand, besorgt, was sich ihr offenbaren würde. Als sie den Umschlag öffnete und den Brief herausnahm, machte Angst ihr das Atmen schwer.
„Liebe Lara“, stand mit blauer Tinte geschrieben auf Engelsbriefpapier. „Nach dem Tod unserer Eltern fanden wir bei Großmutter ein neues Zuhause. Sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um uns ein glückliches Leben zu ermöglichen, aber nun wartet ein neues Leben voller Liebe auf uns. Ich bin so aufgeregt bei dem Gedanken, dir den Mann vorzustellen, dem mein Herz gehört. Die Umstände zwingen uns, heute Nacht wegzugehen, aber sobald wie möglich holen wir dich nach. Es gibt viele Dinge, die ich dir erklären muss über dich und mich, die ich selbst kaum verstehe. Unsere Trennung ist bald vor rüber. In Liebe deine Schwester Diana.“
Lara hatte niemals aus tiefstem Herzen geweint, nicht um ihre Eltern, nicht um Diana, weil sich ihr Herz niemals von Vater, Mutter oder ihrer Schwester verabschiedet hatte. Jetzt füllten sich ihre Augen mit Tränen, die nicht mehr aufzuhalten waren. Ihre Seele weinte endlich. Jede Träne, die den Weg aus ihren Augen fand, nahm ein Stückchen inneren Schmerz mit sich. Lara erinnerte sich an die weisen Worte ihrer Großmutter: „Tränen sind das Wasser, das die Seele heilt.“
Lara legte den Brief beiseite und griff mit zitternden Händen nach Dianas Tagebuch. Stundenlang las sie die
Zeilen, die ihr Dianas Gefühle offenbarten. Immer wieder kämpfte sie mit Weinkrämpfen. Lara atmete tief durch und schlug die Seite auf, die durch ein goldenes Bändchen gekennzeichnet war. Ihr Herz begann zu rasen, als sie das Datum auf der Seite las.
„Oh mein Gott“, flüsterte sie und begann die letzten Seiten leise zu lesen. „8.7.1990 Seit einigen Tagen bedrängt mich ein Mann namens Gabriel, er behauptet, ein Avatar zu sein. Gabriel erzählte mir, dass Henry, der Mann, den ich unsterblich liebe, ein Sohn der Nacht sei. Mich nannte er eine Auserwählte, deren Blut Henry mit dem Dolch der Auferstehung vergießen will, um seinen Schöpfer Ewan aus der Unterwelt zu befreien, in der er seit 2000 Jahren nach seiner Verbannung aus der höchsten Ebene lebt. Gabriel behauptet, Ewan zeuge seine Söhne mit sterblichen Frauen, die ihm seine Verbündeten zuführen. Nach Gabriels Geschichte bin ich unsterblich. Ich erzählte Henry von Gabriel, er gab zu, dass er am Anfang wirklich mein Blut wollte, aber ich glaube Henry, dass er sein Leben ändern will. Auch Henry ist unsterblich, er ernährt sich von menschlichem Blut, ich muss lernen, damit zu leben. Großmutter hat sich auf Gabriels Seite geschlagen, sie belauschte einen Streit von uns und hält Henry nun für den Teufel. Ich gehe heute Nacht mit Henry fort, meine kleine Schwester Lara holen wir nach, auch sie ist eine Auserwählte. Henry hat mir geschworen, uns beide zu beschützen.“ Durchs Fenster drang die Dunkelheit und nahm Lara die Sicht.
„Henry ist zurück und hinter mir her, jetzt ergibt mein blutiger Traum einen Sinn. Danke Diana, dass du ihn mir geschickt hast.“ Lara hatte keinen Zweifel daran, dass ihre Schwester sie warnen wollte. Sie steckte Dianas Tagebuch und ihren letzten Brief in die Handtasche und wischte die letzten Tränen fort. Lara ließ ihren Blick noch einmal durch das Zimmer schweifen.
„Ich werde Gabriel finden und deinen Tod rächen, Diana“,
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