Soehne & Liebe der Nacht
seinem Bruder einen eindringlichen Blick zu, als er an ihm vorbeiging. Zur Erleichterung Amandas wandte sich Robert ab und folgte Jared. Amanda griff in ihre Hosentasche und zog ihr Handy heraus. Hilflos hielt sie es in der Hand. Wer konnte sie befreien? Ihren Gedanken, die Eins-Eins-Null anzurufen, verwarf Amanda sofort wieder. Die Polizei hätte nur laut lachend den Hörer aufgelegt und ihr geraten, nicht so viel zu trinken. Diese Geschichte glaubte keiner, der nicht mittendrin war.
„Oh mein Gott“, seufzte Amanda, „ich bin die Gefangene von Dracula und kein Superman würde diese Festung stürmen.“ Amanda atmete tief durch. „Superman“, flüsterte sie und schöpfte plötzlich Hoffnung, als das Gesicht eines Engels vor ihren Augen erschien. Eilig wählte Amanda die Telefonnummer ihres Ziehvaters Paul.
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„Hallo, Sie sprechen mit Paul“, hörte Amanda die warmherzige Stimme ihres Ziehvaters.
„Paul“, meldete sich Amanda so ruhig wie möglich, um Paul nicht zu beunruhigen.
„Amanda, Kind, ich denke, du liegst im Bett und kurierst deine Kopfschmerzen. Dieser Anruf lässt anderes vermuten.“
„Mach dir keine Sorgen um mich, Paul, alles ist in Ordnung. Tust du mir einen Gefallen?“
„Natürlich, Kind. Was kann ich für dich tun?“
„Bitte sag Rafael, dass ich im Schloss bin und ihm etwas Besonderes zeigen möchte.“
„Ich richte es sofort aus.“
„Danke“, hauchte Amanda.
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„Hört ihr das?“ Lara richtete sich auf. Das laute Klopfen an der Tür nebenan war nicht zu überhören.
„Rafael, sind Sie da?“
Rafael eilte zur Tür und öffnete sie. „Ich bin hier, Paul. Was kann ich für Sie tun?“
Paul näherte sich Rafael und erklärte ihm arglos: „Amanda hat angerufen. Sie sagt, sie sei im Schloss und möchte Ihnen etwas Besonderes zeigen.“
„Diese verrückte Frau“, platze es aus Rafael heraus.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, erkundigte sich Paul, durch Rafaels Reaktion misstrauisch geworden.
„Nein“, erwiderte Rafael schnell. „Ich dachte nur, Amanda liegt mit Kopfschmerzen im Bett. Ich hätte nicht erwartet, dass sie das Haus verlässt.“
„Bei Amanda muss man mit allem rechnen.“ Paul zwinkerte Rafael zu. „Sie gewöhnen sich daran, junger Mann.“
„Dann werde ich Amanda sofort aufsuchen“, versprach Rafael. „Paul, seien Sie so nett und machen Lara einen Kamillentee. Sie fühlt sich nicht wohl.“
„Das tue ich gerne. Ich bin gleich zurück.“ Rafael schloss die Tür.
„Ihr habt es gehört!“
„Haben wir“, erwiderten Gabriel und Henry wie aus einem Mund.
„Wenn diese Ungeheuer Amanda etwas antun, reiß ich ihnen bei lebendigem Leib die Herzen raus.“
Gabriel erhob sich. „Wir machen uns sofort auf den Weg.“ Er blickte auf seine sichtlich aufgelöste Frau. „Ich lasse dich ungern allein.“
„Macht euch keine Sorgen um mich, bringt nur Amanda lebend zurück.“
„Wir sollten Paul nicht misstrauisch machen und das Gebäude zu Fuß verlassen“, erklärte Rafael ungeduldig. Er riss die Tür auf und stürmte eine Sekunde später die Treppen hinunter. Henry steckte Seinen Dolch in den rechten Stiefel und folgte ihm.
„Schatz, trink deinen Tee“, rief Gabriel Lara noch zu, bevor er die Tür hinter sich zuzog.
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„Sei vernünftig!“ Henry hielt Rafael, der durch das Schlosstor stürmen wollte, derb am Arm fest. „Wenn du in den Tod rennst, rettest du Amanda bestimmt nicht!“ „Henry hat Recht! Lass uns genau überlegen, wie wir vorgehen“, versuchte Gabriel seinen aufgebrachten Freund zu beruhigen.
„Wir sollten warten, bis Richard mit Lilith auftaucht, dann sind meine Brüder abgelenkt und wir gelangen unbemerkt ins Schloss“, schlug Henry vor. „Dann kannst du Amanda in Sicherheit bringen, bevor die Schlacht beginnt.“
Gabriel nickte. „Lasst uns erst einmal Schutz hinter den Bäumen suchen, sonst werden wir noch ungewollt Richards Empfangskomitee.“
Mürrisch gab sich Rafael geschlagen und folgte Gabriel und Henry in den Schutz der Bäume. Kaum hatten sie sich hinter den Stämmen verborgen, wurden Richard und Lilith vor dem Schlosstor sichtbar.
„Erobern wir die Welt!“, tönte Lilith, als sie mit ihrem Vater durchs Tor schritt.
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Mit wild schlagendem Herzen beobachtete Kassandra, wie Ewan ein Pentagramm auf ihrem Wohnzimmerboden zeichnete. Nie hätte sie gedacht, einmal Trost in dem Gedanken zu finden, dass Richard wieder aus ihrem Leben verschwand, und mit ihm der Frost, der sich um ihr Herz gelegt
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