Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
nur zögernd erfüllt. Doch auch sie möchte, genau wie ihr Bruder und wie jeder andere Bewohner der Stadt wissen, ob die blauhäutigen Eishexen, die vor wenigen Stunden in die Stadt eingefallen sind, von den Soldaten aufgehalten werden können. Mit einem Rudel sechsbeiniger, schneeweißer und mit messerscharfen Zähnen bewaffneter Eismurrgs sind diese gefährlichen Dämonen , wie sie vor allem von den Jugendlichen genannt werden, in einen der Randbezirke eingedrungen. Zum wiederholten Male haben sie versucht, junge Frauen aus der Stadt zu entführen. Man kannte diese Überfälle aus anderen, kleineren Dörfern, doch erst seit diesem Wintereinbruch überfallen die Hexen auch die Hauptstadt. Niemand weiß, warum sie überhaupt das Risiko eingehen, die Hauptstadt anzugreifen.
„Sie haben die Blaufratzen eingekreist.“ Ksilian blickt auf die mit hell erleuchtetem Schnee bedeckte Ebene, die erst durch kleine Hügel am Horizont gebrochen wird. „Ich schätze, da sind etwa zweihundert Soldaten draußen. Sie machen die Eishexen fertig.“
Aufgeregt klatscht Qwotilia in die Hände.
„Warte“, unterbricht Ksilian das freudige Jubeln seiner Schwester, „Sie versuchen zu entkommen. Sie zaubern Eisspeere aus dem Schnee und schleudern sie auf unsere Krieger.“
„Die Eismurrgs? Was machen die Eismurrgs?“, möchte Qwotilia wissen, während sie nervös die Hände über den Kopf zusammenschlägt. Doch Ksilian verliert die Übersicht in dem kriegerischen Treiben.
„Einige sind verletzt, glaube ich“, meint Ksilian, „Sie ziehen Unmengen an Blut hinter sich her.“
Die Eismurrgs zerhacken und zerfleischen die Soldaten mit ihren gewaltigen Pranken, an denen sich bis zu vier messerscharfe, fast zwanzig Zentimeter lange Krallen befinden. Doch Ksilian wagt es nicht, seiner Schwester die Hoffnung zu rauben und sie mit den schrecklichen Einzelheiten zu beunruhigen.
„Einige Soldaten hat es erwischt“, verkündet Ksilian, während Qwotilia versucht, doch noch einen Blick zu erhaschen und mit wilden Sprüngen versucht, durch die Luke zu linsen, „Doch die Viecher sind zu dumm, um sich gegen unsere Übermacht zu behaupten.“
Ksilian weiß, dass es die Krieger der Nordberg-Eiserlinger schwer haben. Sie alle sind ganz normale Söhne, Väter und Brüder aus Miqilios, die nach ihrer alltäglichen Arbeit freiwillig dem Schutze ihres Volkes dienen. Sie sind keine Berufssoldaten wie die Valesii oder die Sagettari. In dem heillosen Schlachtengetümmel ist es Ksilian unmöglich, Einzelheiten zu erkennen und an seine Schwester weiterzugeben.
„Was ist los?“, möchte Qwotilia wissen.
„Ich kann gar nichts mehr erkennen.“ Ksilian schüttelt den Kopf. „Alles ist so durcheinander.“
Es ist der überlegenen Taktik und der deutlichen Übermacht der Nordberg-Eiserlinger zu verdanken, dass die zu fliehen versuchenden Eindringlinge tatsächlich besiegt werden können. Nachdem die letzte Hexe von einem Schwert durchbohrt und dem letzten Eismurrg mit einem gezielten Sperrwurf das Leben ausgehaucht wurde, reißen die Krieger siegreich und voller Stolz mit lauten Jubelrufen die Hände hoch.
Auch Ksilian, der die lauten Freudenschreie der Soldaten bis an die Stadtmauer wahrnimmt, freut sich, während ihn seine Schwester neugierig und aufgeregt anschaut. „Was ist passiert, was ist passiert?“
„Sie haben sie alle totgeschlagen“, jubelt Ksilian Qwotilia zu, um gleich nach seinem Jubelausbruch zu merken, dass er auf Rücksicht vor seiner jüngeren Schwester auch bedachtere Worte hätte wählen können. Qwotilia erkennt die fragenden Blicke, als Ksilian gebannt beobachtet, wie die Krieger die Leichen der Eishexen zusammenschnüren.
„Haben wir es geschafft? Sind wir die Eishexen los?“, möchte Qwotilia von ihrem Bruder wissen, der vermutet, dass die Dämonen für den Abtransport in die Stadt vorbereitet werden. Die durchaus berechtigte Frage seiner Schwester holt Ksilian jedoch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Er schaut skeptisch durch das Loch in der klapprigen Holzwand.
„Ich weiß es nicht“, meint Ksilian und zuckt mit den Schultern, „Vielleicht.“
Er ahnt, dass die eigentliche Antwort auf die Frage seiner Schwester nein lauten müsste. Doch er bringt es nicht über sein Herz, dieses nein auszusprechen, und sich selbst einen Rest von verzweifelter Hoffnung einzureden.
Die erste Gruppe der Soldaten kehrt mit den toten Eishexen unter dem Jubel der am Stadttor wartenden Bevölkerung nach Miqilios
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