Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
„Meine Dienste für die Königin sehen nicht vor, mich in teure Gewänder zu hüllen.“
Fanyik erkennt an Keylins Gesichtsausdruck, das sie seine Andeutung versteht.
„Manchmal ist weniger wohl mehr“, scherzt Keylin und schafft es sogar, den jungen Fanyik etwas anzulächeln.
„Das stimmt wohl“, erwidert Fanyik und schaut skeptisch auf Keylins Kleid, „Doch manchmal ist weniger einfach zu wenig.“
„Das hat heute schon einmal jemand zu mir gesagt“, erinnert sich Keylin betrübt.
„Vielleicht leiht Euch die Königin etwas Schickes, wenn ich sie darum bitte“, scherzt Fanyik.
„Wenn ihr tatsächlich derart Einfluss auf die Königin habt, sollte ich mir überlegen, mich vielleicht auch ihrem Harem anzuschließen“, erwidert Keylin.
„Kein Harem“, schüttelt Fanyik den Kopf, „Die Verantwortung der königlichen Zufriedenheit liegt allein bei mir.“
„Verantwortung ist etwas Gutes, wenn man weiß, wie man mir ihr umzugehen hat“, entgegnet Keylin.
„Wenn ihr jemanden braucht, mit dem Ihr darüber reden wollt, der Euch zuhört, könnt Ihr immer zu mir kommen.“
„Wieso tut Ihr das?“, möchte Keylin wissen. Fanyik stellt sich neben sie. Er schaut auf all die Leute, die an ihn vorbei gehen und in der Menge der Menschen in der Halle der Könige verschwinden.
„Wir können mit noch so vielen Menschen zusammenarbeiten und leben, mit ihnen reden, streiten oder ihnen in welcher Form auch immer gefügig sein. Aber irgendwann kommt der Moment, an dem wir erkennen, dass wir trotzdem allein sind“, erklärt er ihr, „Und wenn wir dann jemanden an unserer Seite haben, der sich genauso allein fühlt, lässt es sich vielleicht etwas leichter ertragen.“
Keylin kennt diesen jungen Mann erst wenige Minuten. Doch die Worte von Fanyik gehen ihr so nahe, dass sie ihn am liebsten an sich reißen und fest in den Arm nehmen möchte. Doch sie schafft es nicht, über ihren Schatten zu springen. Seine Worte erinnern sie an die schweren Tage nach der Ermordung ihrer Eltern durch den Tyrannen Vorthian. Hilfesuchend wandte sie sich an Nissax, dem jungen Mann, in dem sie sich kurz vor den tragischen Ereignissen verliebt hatte. Doch dieser vergrub sich und seine Gefühle in Angst und Furcht und brachte nicht den Mut auf, sich den möglichen Konsequenzen zu stellen und an seine Liebe zu Keylin zu erinnern. Er verwehrte ihr Gesuch nach Hilfe. Und er blieb nicht der Einzige. Viele Türen von Freunden, Bekannten und Familie blieben vor ihr verschlossen. Die Angst vor dem Feuer war größer als die Entschlossenheit, dem Feind zu trotzen und das zu tun, was richtig und mutig gewesen wäre. Sie möchte an ihrer Entscheidung, die sie traf, als sie sich dem Widerstand in Vathexa anschloss, so fest sie kann, festhalten: Keine weiteren Enttäuschungen riskieren und nur mit dem Mut und der Entschlossenheit als ihre beste Waffe dem Feind entgegen zu treten. Doch die Worte Fanyiks lassen sie glauben und hoffen.
„Dann biete ich Euch das Gleiche an“, sagt sie nach einem kurzen Zögern.
„Einverstanden“, erwidert Fanyik und reicht ihr die Hand, „Auf das wir uns bei den großen Aufgaben, die vor uns liegen, immer aufeinander verlassen können.“
„Einverstanden“, bestätigt Keylin und beide beginnen ihre unerwartet entstandene Freundschaft mit einem festen Händedruck.
Ein Soldat kommt auf die beiden zu und stellt sich vor Fanyik. „Prinz Sayos verlangt nach dir.“
„In Ordnung“, bestätigt Fanyik nickend und verabschiedet sich von Keylin, „Wir werden uns bald wieder sehen.“
„Wie finde ich Euch?“, fragt sie Fanyik, der dem eiligen Soldaten folgt.
„Ich finde Euch“, ruft er ihr zurück, winkt ihr kurz zu und verschwindet im Getümmel.
Keylin schaut Fanyik so lange sie kann hinterher. Doch sie versteht nicht, was gerade passiert ist. Der Lustknabe der Königin, den sie noch nie zuvor gesehen hatte und der sich offensichtlich noch weniger mit seiner Stellung im Palast abfinden kann wie sie, hat ihr seine Freundschaft angeboten und sie, die es eigentlich besser wissen müsste, nahm diese an. Doch wenn sie erfolgreich in ihrer neuen Aufgabe sein will, braucht sie jemanden, dem sie vertrauen kann. Und warum soll das nicht dieser junge Mann sein, der offenbar nach einem neuen Sinn in seinem Leben sucht.
Sayos sitzt in seinem Büro. Die Vorhänge der Fenster lassen nur wenig des glühenden Lichtes der untergehenden Abendsonne in den kleinen, vollgestellten Raum. Auf seinem Schreibtisch türmt
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