Söldner des Geldes (German Edition)
an. Der Angerufene fragte: «Hallo! Wer ist da?»
Dann war die Leitung tot.
Winter kannte die Stimme.
Und den Namen dazu.
7. August 09:07
Mit ein paar Minuten Verspätung fuhr der mit kunterbunten Gästen und Kadern volle Bus vor dem Hotel los. Dirk sass in der ersten Reihe und spielte Reiseführer. Er hatte es verpasst, die Kleiderordnung bekannt zu geben. Einige hatten sich für einen Anzug, andere für sportliche Jacketts und wieder andere für Jeans entschieden.
Die Passagiere neben Fatima und Winter unterhielten sich über die tolle Atmosphäre des gestrigen Abends und spekulierten über die anstehende Besichtigung des Militärbunkers.
Der Bus verliess Interlaken und bog einige Zeit später von der Hauptstrasse ab. Schwankend wand er sich einem steinigen, ausgetrockneten Bachbett entlang, dessen Wasser weit hinten im Tal gestaut wurde. Nach einer Panzersperre, deren Betonzacken einer steinernen Toblerone glichen, wurde die Strasse noch enger. Der Fahrer musste in den engen Kurven hart arbeiten.
Einige Gäste verstummten, als sie merkten, wie nahe der Bus am Abgrund fuhr. Andere kämpften nach dem Fondue und dem Frühstücksbuffet mit den gegenläufigen Bewegungen in ihrem Magen und schwiegen ebenfalls. Der schwere Bus wankte auf seiner Luftdruckfederung langsam hin und her und auf und ab.
Tannenäste kratzten an den Fenstern. Dirk erklärte den beiden Japanern in der zweiten Reihe, dass alles in Ordnung sei. Der Bunker habe früher der Verteidigung des Taleinganges gedient und sei deshalb an der engsten Stelle gebaut worden.
Sie bogen ab und hielten auf einem schattigen Kiesplatz. Die Türen zischten auf. Die Passagiere strömten erleichtert aus dem Bus und standen vor einer nassen Felswand mit einer verrosteten Eisentür. Vor Jahrzehnten war rund um den Bunkereingang das lose Gestein mit Spritzbeton fixiert worden. Die mit Flechten und kleinen Gebüschen überwachsene Felswand ragte in die Höhe. Alles tropfte.
Winter und Fatima standen am Rande der Menge und musterten Gäste und Felswand. Der Eingang des Bunkers sah verfault, morsch und unbenutzt aus. Winter dachte: Der vergammelte Auftritt ist gute Tarnung.
Ein Helikopter flog knapp über den Baumwipfeln vorbei und man hörte, wie die Rotoren nach der Landung in einer nahen Lichtung ausliefen. Die Besucher fröstelten. Einige hingen an ihren Mobiltelefonen, andere schwatzten. Der düstere Bunker hatte bei den Männern die Gespräche unwillkürlich auf Kriegsgeschichten gelenkt. Viele der Kader bekleideten im Militär Offiziersränge.
In etwa dreissig Meter Höhe machte Winter zwei mit sandigem Beton verstärkte Einbuchtungen aus, hinter denen im Zweiten Weltkrieg und während des Kalten Krieges die Geschütze versteckt waren. Von dort oben überblickte man den Eingang des Tales.
Winter sah von Tobler, Hodel und vier Araber durch den Wald kommen. Die vier Araber hatten ihre weissen Gewänder hochgerafft, um sie vom teilweise sumpfigen Waldboden fernzuhalten. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich an diesem Morgen bis jetzt noch nicht besonders amüsiert hatten. Sie waren anderes gewohnt. Aber das Motto der Jahreskonferenz lautete: «Unvergessliche Tage im Berner Oberland».
Von Tobler hatte sich heute für die Garderobe eines englischen Gentlemans auf der Jagd entschieden und war in voller Fahrt.
Winter nahm sein Mobiltelefon hervor, schaltete die Unterdrückung seiner Rufnummer ein und tippte mit dem Daumen eine Nummer ein. Der kleine Bildschirm zeigte, dass die Verbindung stand. Zehn Meter seitlich vor ihm griff jemand in die Tasche und zog ein vibrierendes Mobiltelefon hervor. Winter unterbrach die Verbindung.
Das Tor zum Bunker quietschte, und die Köpfe der Gästeschar drehten sich.
Ein Mann um die vierzig im piekfeinen Nadelstreifenanzug und mit glänzenden Schuhen war aus dem Bunker getreten. Er wischte sich den Dreck der rostigen Tür von den Händen und begrüsste Dirk. Dieser bat um Aufmerksamkeit und stellte den Mann als Herrn Torhorst, Geschäftsführer der grössten Serverfarm Europas für die sichere Aufbewahrung von Bankdaten, vor.
Torhorst begrüsste die hochgeschätzten Gäste mit einer tiefen, von der Felswand in seinem Rücken verstärkten Stimme und sagte salbungsvoll: «Bitte treten Sie ein ins Reich der sicheren Datenaufbewahrung.»
Die Menge drängte sich durch das rostige Tor, hinter dem sich eine erstaunlich geräumige, mit vergitterten Lampen spärlich beleuchtete Kaverne öffnete.
Es tropfte.
Winter sah
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