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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Deshalb muss er arbeiten, Sofie, deshalb findet der arme Mann auch keine Ruhe.«
    »Ich glaube, ich kapituliere!«
    »Abschnitt!«
    Sofie und Alberto starrten den kleinen See an. Alberto saß da wie versteinert. Nach einer Weile traute sich Sofie, seine Schultern anzustupsen.
    »Hast du die Sprache verloren?«
    »Er hat direkt eingegriffen, ja. Die letzten Abschnitte waren bis in den kleinsten Buchstaben von ihm inspiriert. Er sollte sich schämen. Aber damit hat er sich auch verraten, hat sich voll und ganz zu erkennen gegeben. Jetzt wissen wir, dass wir unsere Leben in einem Buch leben, das Hildes Vater Hilde zum Geburtstag schickt. Denn du hast doch gehört, was ich gesagt habe? – Obwohl das nun wirklich nicht ›ich‹ war, der das gesagt hat.«
    »Wenn das stimmt, dann will ich versuchen, aus dem Buch zu entkommen und meine eigenen Wege gehen.«
    »Genau das ist auch mein geheimer Plan. Aber vorher müssen wir versuchen, Hilde zum Reden zu bringen. Sie liest jedes Wort, das wir jetzt sagen. Und wenn wir erst einmal von hier entflohen sind, wird es gleich viel schwieriger, wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen.«
    »Was sollen wir denn sagen?«
    »Ich glaube, der Major schläft gleich über seiner Schreibmaschine ein. Seine Finger jagen zwar immer noch in fieberhafter Eile über die Tastatur ...«
    »Ein seltsamer Gedanke.«
    »Aber gerade jetzt kann er Dinge schreiben, die er später vielleicht bereut. Und er hat kein Tipp-Ex, Sofie. Das ist ein wichtiger Bestandteil meines Planes. Gnade dem, der Major Albert Knag eine Flasche Tipp-Ex gibt!«
    »Von mir kriegt er nicht mal einen Streifen Korrekturband!«
    »Hier und jetzt fordere ich dieses arme Mädchen auf, gegen ihren Vater zu rebellieren. Sie sollte sich schämen, dass sie sich von seinem albernen Spiel mit Schattenbildern unterhalten lässt. Wenn er bloß hier wäre, der Herr Major, dann würde er unseren Ärger am eigenen Leibe zu spüren bekommen.«
    »Aber er ist ja nicht hier.«
    »Sein Geist und seine Seele sind hier, aber er sitzt auch sicher im Libanon. Was wir um uns herum sehen, ist jedenfalls alles das ›Ich‹ des Majors.«
    »Aber er ist auch noch mehr als das.«
    »Denn wir sind nur Schatten in seiner Seele. Und es ist nicht leicht für einen Schatten, seinen Meister anzugreifen, Sofie. Dazu braucht es Mut und reifliche Überlegung. Aber wir haben eine Möglichkeit, auf Hilde einzuwirken. Nur ein Engel kann gegen einen Gott rebellieren.«
    »Wir können Hilde auffordern, ihn sofort anzumachen, wenn er nach Hause kommt. Sie kann ihm sagen, dass sie ihn für einen Flegel hält. Sie kann sein Boot kaputtmachen – oder zumindest die Laterne zerschlagen.«
    Alberto nickte. Dann sagte er:
    »Und sie kann ihm davonlaufen. Für sie ist das leichter als für uns. Sie kann das Haus des Majors verlassen und sich nie mehr dort blicken lassen. Das würde dem Major, der auf unsere Kosten mit seiner weltenschaffenden Einbildungskraft spielt, nur recht geschehen.«
    »Ich kann es mir zu gut vorstellen: Der Major reist durch die große Welt und sucht Hilde, aber Hilde ist spurlos verschwunden, weil sie einfach nicht mit einem Vater leben will, der sich über Sofie und Alberto lustig macht.«
    »Er macht sich lustig, ja. Das habe ich damit gemeint, dass er uns als Geburtstagsunterhaltung benutzt. Aber er sollte sich hüten, Sofie. Und Hilde sollte das auch.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sitzt du gut?«
    »Solange nicht noch mehr Lampengeister kommen, ja.«
    »Versuche dir vorzustellen, dass alles, was wir erleben, im Bewusstsein eines anderen geschieht. Wir sind dieses Bewusstsein. Wir haben also keine eigene Seele, wir sind die Seele eines anderen. Bisher befinden wir uns auf vertrautem philosophischem Boden. Berkeley und Schelling würden die Ohren spitzen.«
    »Ja?«
    »Und dann können wir uns vorstellen, dass diese Seele der Vater von Hilde Møller Knag ist. Er sitzt im Libanon und schreibt seiner Tochter zum 15. Geburtstag ein Philosophiebuch. Wenn Hilde am 15. Juni erwacht, wird sie das Buch auf dem Nachttisch finden, und jetzt können sie und andere Menschen über uns lesen. Es wurde ja längst angedeutet, dass das ›Geschenk‹ mit anderen geteilt werden kann.«
    »Das weiß ich noch.«
    »Und was ich dir jetzt sage, liest Hilde, nachdem ihr Vater irgendwann im Libanon gesessen und sich eingebildet hat, ich erzählte dir, dass er im Libanon sitzt ... und sich einbildet, dass ich dir erzähle, dass er im Libanon sitzt ...«
    Auf einmal drehte sich alles

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