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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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sich auf die allgemein benutzte Theorie stützt, wenn er erklärt, daß Mabel nicht hierherkommt. Er stellt ganz richtigerweise die Kräfte in Rechnung, die nach unserem Wissen auf tropische Wirbelstürme einwirken. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir nicht genug wissen, um uns auf ein Risiko einlassen zu können.«
    Er breitete die Papiere auf dem Schreibtisch aus. »Ich habe hier einen Auszug aus meinen Aufzeichnungen über alle Hurrikans, die ich in den vier Jahren, die ich jetzt hier bin, persönlich studiert habe – das sind etwa drei Viertel aller, die in der Zeit im karibischen Raum zu verzeichnen waren. Ich habe geprüft, wie oft ein Hurrikan von dem Kurs abgewichen ist, dem er streng nach der Theorie hätte folgen sollen, und ich habe gefunden, daß fünfundvierzig Prozent der Hurrikans sich mehr oder weniger theoriewidrig verhalten haben. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich auf einem Blatt die gleiche Information zusammengestellt, habe aber diese Studie auf die Hurrikans beschränkt, die die gleichen Merkmale hatten wie Mabel. Das heißt, die das gleiche Alter hatten, im gleichen Gebiet entstanden waren und so weiter. Ich erhalte eine Wahrscheinlichkeit von dreißig Prozent dafür, daß Mabel so weit von der theoretischen Zugrichtung abweicht, daß San Fernandez getroffen wird.«
    Er schob die Papiere über den Tisch, aber Brooks schob sie zurück. »Ich glaube Ihnen, Mr. Wyatt«, sagte er ruhig. »Commander, was meinen Sie dazu?«
    Schelling sagte: »Ich glaube, auf solche Art präsentierte Statistiken können falsch angewandt – falsch ausgelegt werden. Ich bin durchaus bereit, Mr. Wyatts Zahlen anzuerkennen, aber nicht seine Argumentation. Er sagt, die Wahrscheinlichkeit, daß Mabel vom Kurs abweicht, betrage dreißig Prozent, und das erkenne ich an, aber das bedeutet nicht, daß er, wenn er abweicht, auf San Fernandez stößt. Er könnte schließlich auch nach der anderen Seite schwenken.«
    »Mr. Wyatt?«
    Wyatt nickte. »Das stimmt natürlich; aber es gefällt mir nicht.«
    Brooks legte seine Hände gegeneinander. »Das Ganze bedeutet also: Das Risiko, daß Mabel uns trifft, liegt irgendwo zwischen null und dreißig Prozent, aber auch wenn wir das Schlimmste annehmen, ist es immer noch nur ein Risiko von dreißig Prozent. Kann man es so ausdrücken, Mr. Wyatt?«
    Wyatt schluckte. »Ja, Sir. Aber ich möchte noch auf das eine oder andere hinweisen, was mit berücksichtigt werden muß. Im Jahre 1900 wurde Galveston von einem Hurrikan getroffen, und 1910 war hier einer; die hohe Zahl der Todesopfer war in beiden Fällen auf die gleiche Erscheinung zurückzuführen – Überschwemmungen.«
    »Durch starke Regenfälle?«
    »Nein, Sir; durch den Aufbau eines Hurrikans und geographische Besonderheiten.«
    Er hielt einen Augenblick inne, und Brooks sagte: »Fahren Sie fort, Mr. Wyatt! Ich bin sicher, der Commander wird Sie berichtigen, wenn Sie Unrichtiges behaupten.«
    Wyatt sagte: »Der Luftdruck im Zentrum eines Hurrikans fällt sehr tief; diese Minderung des Druckes auf die Meeresoberfläche läßt das Wasser zu einem Buckel aufsteigen, der in einem normalen Hurrikan vielleicht drei Meter hoch wird. Mabel ist kein normaler Hurrikan; sein innerer Luftdruck ist sehr niedrig, und ich schätze, daß der Wasserstand in seinem Zentrum auf etwa sechs Meter über normal steigt – vielleicht sogar acht Meter.«
    Er drehte sich um und zeigte aus dem Fenster. »Wenn Mabel uns trifft, kommt er genau von Süden und läuft direkt in die Bucht. Es ist eine seichte Bucht, und wir wissen, was geschieht, wenn eine Flutwelle auf flaches Gewässer stößt – sie baut sich auf. Sie können mit einer Wasserflut von über fünfzehn Meter Höhe in der Santego Bay rechnen. Der höchste Punkt auf Cap Sarrat liegt, glaube ich, vierzehn Meter hoch. Sie würden eine Wasserwand erleben, die diesen Stützpunkt vollkommen überspülen würde. Man mußte den Stützpunkt nach 1910 wieder aufbauen – glücklicherweise war da nicht viel wiederaufzubauen, weil der Stützpunkt noch nicht in Betrieb gewesen war.«
    Er sah Brooks an, der leise sagte: »Sprechen Sie weiter, Mr. Wyatt! Ich merke, Sie sind noch nicht fertig.«
    »Nein, das bin ich noch nicht, Sir. Da ist St. Pierre. 1910 wurde die Hälfte der Bevölkerung ausgelöscht – wenn das jetzt geschähe, müßte man mit dreißigtausend Toten rechnen. Der größte Teil der Stadt liegt nicht höher als Cap Sarrat, und sie sind heute auf einen Hurrikan und auf Überflutungen

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