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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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glauben, Katie. Sieht so aus, als wollte Neddie der Polizei ihre speziellen Fähigkeiten zur Aufklä rung von Verbrechen anbieten.« Mom sah auf und blickte über ihre Halbbrille hinweg wie in weite Fernen der Erinne rung. »Neddie Merrill. Als ich sie kennenlernte, war sie eine Betrügerin, so eine Art Wunderheilerin, die Schlangenbisse und Fieber mit Kräuterauszügen heilte. Nebenbei züchtete sie rotohrige Kriechtiere - du weißt schon, diese kleinen Schild kröten, die sie in den Tierhandlungen verkaufen. Das ganze
    psychologische Zeug, Behandeln durch Besprechen, wie sie das nannte, war nur ein Teil ihrer Aktivitäten.«
    Mom blickte wieder auf die Zeitung hinunter und überflog die gedruckten Spalten. »Offenbar ist Neddies hellseherisches Talent inzwischen voll entfaltet. Hier steht, sie habe angefangen, den örtlichen Sheriffs in Bayou Sorrel und Pla quemine zu helfen. Ungefähr vor einem Monat, da hat die Polizei von Baton Rouge Neddie eine Kugel gezeigt, mit der ein Mord begangen worden war. Sie hat die Kugel in der Hand gehalten und dann erklärt, der Mörder habe inzwi schen Selbstmord verübt. Sie haben sich dann ihre Beschreibung eines verlassenen Streifens entlang des Little Bayou Pidgeon angehört und seine Leiche gefunden. Die Schußwaffe in seiner Hand war die Mordwaffe.
    »Erstaunlich«, sagte Katie, schob ein paar Krümel vom Tel ler und trug sie zur Spüle. Dabei dachte sie: aber nicht so erstaunlich wie rote Blutkörperchen, die nicht zugrunde gehen wollen. Vielleicht sollte ich Neddie das Blut geben und sie den Mörder finden lassen. Der Gedanke daran, was Merrick zu diesem Vorschlag sagen würde, ließ Katie lächeln.
    »Little Bayou Pidgeon«, wiederholte Mom gedankenverlo ren. »Als ich noch ein junges Mädchen war, hat deine Grandma Guillemin mich immer mit zu diesem sumpfigen Nebenarm des Flusses hingeschleppt, damit ich ihr beim Fan gen von Flußkrebsen helfe.«
    Der nachdenkliche Tonfall in ihrer Stimme ließ Katie aufhorchen. Sie lehnte sich an die Spüle und blickte ihre Mutter an. Während all der Jahre ihrer Lehrtätigkeit in Brown hatte Audrey O'Keefe mit dem Gedanken gespielt, nach ihrer Pensionierung in den Landstrich ihrer Kindheit zurückzukehren. Und nun war sie nach Washington gekommen um ihrer Toch ter bei Gregorys Betreuung zu helfen. Sie hatte darauf bestan den, genau das sei es, was sie wolle, aber stimmte das wirk lich?
    Aus Angst vor der Antwort versuchte Katie, diese Frage aus ihren Gedanken zu tilgen. Sie brachte ihr Geschirr zum
    Spülbecken, versagte sich sogar einen Blick auf die halbvolle Kaffeekanne und schlich auf Zehenspitzen nach oben. Gregory schlief noch. Sie gab ihm einen betont leichten Kuß, damit er nicht sofort aufwachte und seine Grandma noch ein paar Minuten für sich allein hatte. Als sie noch einmal kurz in die Küche blickte, um auf Wiedersehen zu sagen, saß ihre Mutter am Tisch und blickte verträumt zum Kühlschrank. »Du vermißt die Landschaft der Bayous, nicht wahr?«
    Moms Augen richteten sich auf sie. »Oh, ich habe schöne Erinnerungen daran, sicher. Der Nebel steigt am Morgen von den Lagunen auf und läßt die Wasserrosen wie Lavendel schimmern. Spät am Nachmittag verwandeln dann die schräg einfallenden Sonnenstrahlen das Wasser des Sumpfes in geschmolzenes Gold. Manchmal kann man das Zedernöl in ihnen riechen, einen leichten Kieferngeruch. Des Nachts singen einem die Grillen und die Frösche die süßesten Wiegen lieder ...« Mom gab sich einen Ruck und faltete die Zeitung schnell zusammen. »Laß es dir gesagt sein: Wenn man anfängt zurückzublicken, tut man schon den ersten Schritt ins Grab.«
    Es war einer von Grandma Guillemins Lieblingssprüchen. Einen Moment lang glaubte Katie, daß ihre Grandma, und nicht Mom, mit der professoralen Brille hier am Tisch saß.
    Jetzt erhob sich Mom langsam. »Glaub mir, Katie, meine Liebe, ich könnte gar nicht glücklicher sein, als hier mit mei ner Tochter und meinem Enkelchen. Babys schlagen jederzeit jede Flußniederung.«
    Katie zog sie an sich, um sie zu umarmen. Mom erwiderte diese Umarmung mit großer Heftigkeit und schob sie dann sanft von sich. »Am besten gehen Sie jetzt zur Arbeit, Dr. O'Keefe.«
    »Wie Sie befehlen, Dr. O'Keefe.«
    Katie kam zu spät im Hospital an, um die Blutzellen noch einmal zu überprüfen, aber immer noch früh genug, um sich den Bericht der Nachtschwester anzuhören. Die Schwester erzählte ihr, Art sei in die Cafeteria hinunter zum Früh
    stücken gegangen

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