Sohn Der Nacht
würden sie sich sehr viel weniger froh fühlen. Vielleicht sollte er etwas dagegen unternehmen.
Zane blickte ein letztes Mal auf das Foto und wünschte sich, er könnte es mit sich nehmen. Wieder auf dem Dach angekommen, hielt er an, um den Eichenbaum zu inspizieren. Einer seiner weit ausladenden Äste hing über Jennys Fenster. Zane überprüfte das Narzissenbeet, das rund um das Haus lief. Sicher genug, mehrere Zweige und ein größeres Stück eines Astes lagen zwischen den Blumen, abgerissen von dem Sturm. Und es war noch immer sehr windig.
Obwohl er vor Ungeduld brannte, kletterte Zane die Regenrinne hinunter, nahm sich das größte Stück des toten Holzes und stieg die Regenrinne wieder hinauf. Ohne sich um das Geräusch zu kümmern, schlug er die Scheibe heraus, aus der er das Stück Glas entfernt hatte und zerstörte so die glatte, kreisrunde Kante, die der Glasschneider zurückgelas sen hatte. Dann ließ er den Zweig halb im Fenster stecken und sprang auf den Boden. Als er davoneilte, erwachte der Hund und bellte, und er konnte die erschreckten Stimmen von Ann und ihrem Ehemann durch das Küchenfenster hören. Wenn sie den Ast entdeckten, würden sie erleichtert sein; wenn er später zurückkehrte, würden sie nicht besonders wachsam sein.
Zane verspürte einen Schub Heiterkeit. Was jetzt in diesem Augenblick wichtig war, war das Hospital - Dr. O'Keefes Hospital in Georgetown. Dorthin würde er jetzt gehen und dieser Jenny Hrluska einen Besuch abstatten. Wenn sie diesen fremdartigen Hunger verspürte, dann war es kein Zufall, der
ihn, Zane, mit beiden, der schönen Ann und, zwölf Jahre spä ter, der besten Blutärztin in der Stadt verband. Dieses Verbin dungsstück würde Jenny sein - eine neue Blutsaugerin, meine Tochter!
Im zweiten Luxushotel, das Merrick an diesem Morgen unter die Lupe nahm, traf er ins Schwarze. Er wußte es in dem Augenblick, als der Manager des Hay Adams das Foto von Zane entgegennahm - das unwillkürliche Heben der Augenbrauen, die leichte Erweiterung der Augen.
»Ich bin nicht sicher. Das Bild ist ziemlich unscharf.«
»Aber Sie haben eine Idee.«
»Nun, es könnte sich um Mr. Gray handeln.«
Merrick spürte, wie sein Herz schneller schlug, aber er behielt einen leidenschaftslosen Gesichtsausdruck bei. »Und welches Zimmer wäre das dann, Mr. Eaton?«
Statt zu antworten, studierte Eaton weiter das Bild. Er war ein gutaussehender, weißhaariger Mann Mitte Fünfzig mit jener Art angeborener, lässiger Höflichkeit, die Merrick schon früher bei älteren Hoteliers gesehen hatte. Eaton trug eine Weste unter dem Anzug, obwohl es in seinem Büro sehr warm war. Auf seinem Schreibtisch flankierten die Zeitungen von heute morgen eine dampfende Tasse Red-Rose-Tee. Ganz klar, der Mann liebte Informationen - und ganz sicher wollte er mehr Informationen über Zane haben.
Eaton reichte das Foto zurück. »Dies scheint von einer Überwachungskamera zu stammen. Liegt etwas gegen Mr. Gray vor, Detective?«
Im Klartext: Bedeutete >Mr. Gray< etwa Probleme für die hochangesehenen Gäste des Hay Adams? Wenn die Antwort Eaton nicht zufriedenstellte, würde er die Leute seines Sicher heitsdienstes ausschicken, um überall herumzuschnüffeln. Dieser Gedanke ließ Merricks Nacken prickeln. Er sagte: »Das Foto ist von einer Überwachungskamera aufgenommen worden, aber nur, weil Mr. Gray zufällig vor zwei Tagen zur sel ben Zeit in der Capital Security Bank gewesen ist, als diese ausgeraubt wurde. Wir haben versucht, mit allen Bankkun den zu reden, die dagewesen waren, falls einer von ihnen etwas gesehen hat, das vielleicht von Bedeutung sein könnte. Wenn Sie mir also bitte Mr. Grays Zimmernummer geben würden...«
Eaton seufzte entschuldigend. »Ich fürchte, da gibt es ein Problem, Detective. Ich bin zu hundert Prozent dafür, der Polizei zu helfen, wo immer ich kann, aber Sie sagen, daß Mr. Gray kein Verdächtiger in einem Verbrechen ist, und Sie wis sen noch nicht einmal, ob er Zeuge bei irgend etwas gewesen ist, und damit hat er ein Recht auf die Privatsphäre, die ihm jedes Hotel mit einem guten Ruf geben würde. Nun ist das für Sie ja kein Problem, da Sie ihn auch ganz einfach über Ihre Zentrale anrufen können.«
Merrick hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Eaton tat seinen Job, wie er getan werden mußte, aber die Zeit verrann. Und das letzte, was er tun würde, war, Zane in sei nem Zimmer anzurufen. Er sagte: »Ich finde immer, die Leute sind weniger nervös, wenn
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