Soko Mosel
von Dr. Wieckmann?«, fragte Harry und fügte hinzu. »Es ist wirklich dringend, jede Sekunde zählt!«
»Ich kann nicht so einfach …«, der Pfleger zögerte. »Ich bin hier nur Zivi, da müssen Sie mit Schwester Rita sprechen.«
»Wo finde ich sie?«
»Die ist irgendwo mit Kathetern beschäftigt, ich schau mal gleich.«
Harry blieb nichts anderes übrig, als neben den beiden über den langen Flur zu trotten. Die Tür zu einem Zimmer war einen Spalt breit geöffnet. Drinnen dröhnte ein Fernseher.
»Könnten Sie vielleicht die Tür zumachen?«, bat der Pfleger.
Harry kam nicht umhin, einen Blick ins Zimmer zu werfen. Ein alter Mann saß an das hochgestellte Kopfteil gelehnt in einem Krankenbett. Auf seinem Nachtschrank qualmte im Aschenbecher eine Zigarre. Harry nickte ihm zu und schloss die Tür.
Endlich gelangten sie zum Zimmer der alten Frau. Harry blieb auf dem Flur zurück.
»Omchen, ich bin gleich wieder da«, rief der Pfleger an der Tür, als er zu Harry zurück kam.
»Wissen Sie, ich hab hier auch viel Arbeit, so ist das nicht, aber als Sie eben gesagt haben, jede Sekunde zählt, da geht es in einem Altenheim doch ruhiger zu, da ticken die Uhren …«
»Entschuldigung, aber ich muss zu Dr. Wieckmann«, unterbrach ihn Harry.
Der Zivi schüttelte den Kopf. Harry sah seinen Zopf hin- und herfliegen, als er behutsam Zimmertüren öffnete. Bei der dritten hatte er Erfolg.
»Schwester Rita, können Sie gerade mal kommen?«
»Wenns auch krumm sein kann?«, rief eine Stimme zurück.
Harry steckte den Kopf zur Tür hinein.
»Darf ich?«
Die Schwester hockte neben einem Bett und hielt einen gefüllten Urinbeutel in der Hand.
»Ja?«, fragte sie.
Harry zeigte seine Dienstmarke. »Ich möchte zu Herrn Wieckmann. Es ist dringend, sonst würde ich ihn nicht mehr stören. Wo kann ich ihn finden?«
»Zweitletzte Tür links am Ende des Gangs«, die Schwester richtete sich auf.
»Danke«, Harry eilte an Bruno vorbei über den Flur. Auf sein Klopfen bekam er keine Antwort. Er drückte die Klinke leise hinunter und trat in ein abgedunkeltes Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen. Ein Rollstuhl stand dicht am Bett. Ein Mann mit dichtem weißen Haar lag in den Kissen.
»Entschuldigen Sie?«, Harry ging auf das Bett zu.
Das Gesicht des Mannes war zur anderen Seite gewandt.
»Herr Wieckmann, entschuldigen Sie.«
Er berührte ihn leicht an der Schulter. Der Mann rührte sich nicht. Er ging ums Bett herum. Auf dem Nachtschrank lag eine Packung FARMERS neben dem Aschenbecher. Wieckmanns Augen standen offen. Sie starrten Richtung Fenster. Auch als Harry in ihre Blickrichtung trat, zeigten die Pupillen keine Reaktion. Die linke Hand war ins Bettzeug gekrallt. Zwischen Ring- und Mittelfinger ragte ein kleines Aschetürmchen hervor. Darunter steckte ein Zigarettenstummel. Er griff an Wieckmanns Hals und versuchte, den Puls zu fühlen. Die Haut war kalt. Das Herz hatte längst aufgehört zu schlagen.
*
»Mensch, Harry, wo steckst du?«, Grabbe war im Präsidium am Telefon.
»Bei Wieckmann in Konz, er ist tot.«
»Wir stehen kurz vor dem Zugriff. Hier geht es drunter und drüber, und du bist in Konz …«
»Der Wieckmann ist tot, gib mir mal den Manstein.«
»Das ist unmöglich, der ist am rotieren. Wir haben praktisch die komplette Soko über die Stadt verteilt. Fünfzig Mann aus Wengerohr sind hierher unterwegs …«
»Wie es aussieht, ist der Wieckmann vergiftet worden … mit einer FARMERS.«
»Oh, Gott! Moment, ich versuch es mal.«
Harry hörte hinter sich Getuschel. An der Tür zu Wieckmanns Zimmer hatten sich die ersten Neugierigen eingefunden. Harry ging mit dem Telefon am Ohr zur Tür und drückte sie, eine alte Frau in einem geblümten Bademantel leicht zurückschiebend, zu.
In der Leitung tat sich nichts. Kurze Zeit später kam Schwester Rita, gefolgt vom Zivi, ohne anzuklopfen herein.
»Was ist denn hier los?«, sie stürmte zum Bett. Harry versuchte dazwischen zu treten, den Hörer zwischen Schulter und Kopf geklemmt.
»Bitte nichts anfassen, ich rufe die Spurensicherung.«
»Na hören Sie mal, ich kann dem Mann vielleicht noch helfen oder sind Sie Arzt?«
»Dafür brauche ich kein Arzt zu sein. Er ist schon kalt.«
Er konnte nicht verhindern, dass Schwester Rita nach dem Puls des Toten tastete und ihm dann die Augen schloss.
»Was habe ich Ihnen gesagt, Sie sollen ihn nicht anfassen!«
»Was auf meiner Station passiert, das ist meine Sache«, entrüstete sie sich.
»Jetzt aber raus
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