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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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ohne Worte. Weller ist mit seinem Segelschüler zufrieden. Er krabbelt unter Deck und taucht wenig später mit zwei Flaschen Bier wieder auf.
    »So macht Segeln Spaß, was?«
    Henry nickt, nimmt das Bier entgegen, das der andere, ohne zu fragen, bereits geöffnet hat. Weller blickt auf seine Uhr.
    »In einer Stunde sind wir in Rerik, wenn der Wind uns treu bleibt. Warst du schon mal dort?«
    Henry lügt. Sie passieren die Zunge der Halbinsel Wustrow, steuern ins Salzhaff hinein und Weller erklärt die Navigation. »Am Ende der Landzunge steuerst du 85 Grad, bis zur Untiefentonne Nordquadrant. Ab da dann 45 Grad zur Reriker Ansteuerungstonne. Dort beginnt dann gleich die rot-grün betonnte Fahrrinne. Alles klar?« Er wirft Henry einen prüfenden Blick zu.
    »Aye aye, Skipper.«
    Obwohl sein Klient heute entspannt wirkt, mit seinem sonnengebräunten nackten Oberkörper unter der orangefarbenen Schwimmweste, der weißen Hose und dem grauen, akkurat geschnittenen Haar fast ein wenig mondän aussieht, bemerkt Weller dessen Anspannung. Es hat wohl nichts mit ihm, dem Bewährungshelfer, zu tun. Henry hat sich inzwischen daran gewöhnt, mit ihm über das zu sprechen, was in seinem Leben vorgeht, ist sogar ansatzweise bereit, über die Tat beziehungsweise den Tod seines Vaters und dessen Vorgeschichte zu sprechen. So weit das möglich scheint, hat er Vertrauen zu Weller gefasst.
    »Sag mal, hat das mit dem Job eigentlich geklappt?«
    Henry hält den Blick weiter auf das Wasser und die Küstenlinie gerichtet, antwortet nicht sofort.
    »Die Sache neulich am Wochenende, wo du beim Dachdecken helfen solltest.« Weller lässt nicht locker, obwohl er sich die Antwort denken kann.
    »Ach was. Der hat gedacht, ich wäre Handwerker, würde alles alleine machen können. Dabei tauge ich maximal als Hilfskraft.«
    »Weshalb probierst du es nicht mal mit den Autowerkstätten?«
    »Ich habe schon meinen alten Kumpel Strom darauf angesetzt. Wenn der etwas hört, bin ich der Erste, der es erfährt. Aber zurzeit herrscht kein Mangel an Schraubern. Und ich kann ja keine Ausbildung vorweisen, von der weißen Weste ganz zu schweigen.«
    Sie erreichen den Sportbootanleger. Weller fährt das Anlegemanöver und um kurz nach drei sind sie fest. Sie beschließen, an Land Kaffee und Kuchen einzunehmen. Weller knüpft seinen Pferdeschwanz neu und Henry zieht sich sein Hemd an. Den Pullover locker über die Schultern gelegt, an den Füßen blaue Espadrillos, wartet er auf dem Steg auf Weller.
    Er sieht tatsächlich aus wie ein Dandy , denkt dieser. Und es fällt ihm ein, an was ihn sein Klient erinnert.  Nur die Sonne war Zeuge  – dieser alte Spielfilm nach dem Roman von Patricia Highsmith. Der eiskalte Dandy Ripley, von Alain Delon verkörpert, der seinen vermeintlichen Freund, um an dessen Identität zu kommen, von Bord eines Segelbootes stößt und ertrinken lässt. Weller schüttelt den Kopf.  Welch eigenartige Assoziation.  Natürlich besteht zwischen dem jungen Delon und Henry keine Ähnlichkeit. Wie ist er nur auf diesen Gedanken gekommen? Er klettert auf den Steg, legt seinem Klienten den Arm um die Schultern.
    »So Leichtmatrose, Kaffee bunkern.« Er merkt, wie Henry sich für eine Sekunde verspannt, dann locker lässt und ihm leicht in die Seite boxt.
    »Was heißt hier Leichtmatrose? Habe ich deinen Äppelkahn etwa nicht sicher in den Hafen gebracht?«
    Später ankern sie – der Wind ist abgeflaut – vor der Poeler Küste, die Steilküste und den Leuchtturm von Timmendorf im Blick. Sie haben es sich an Deck bequem gemacht, ihre Unterhaltung plätschert dahin, von langen Pausen unterbrochen. Weller schiebt die Schirmmütze aus der Stirn, blinzelt gegen die Strahlen der tief stehenden Sonne hinüber zu Henry, der mit einem Tampen verschiedene Knoten übt.
    »Ich muss gestehen, dass ich etwas getan habe, was ich sonst vermeide. Ich habe zu deinem Fall, besser zu deinem Delikt, Erkundigungen eingezogen. Normalerweise arbeite ich mit der Version, die mein Klient mir präsentiert, und nicht mit dem, was das Urteil und der Gerichtsbeschluss hergeben.« Gespannt, wie Henry dies aufnimmt, mustert er den anderen. Für eine Sekunde halten dessen Finger inne, dann legt er die Leine beiseite, befördert die Sonnenbrille mit dem Zeigefinger von der Stirn vor die Augen.
    »So, und was hast du herausgefunden?« Seine Stimme klingt ungerührt.
    »Sicherlich nichts, das du nicht selbst weißt. Ich frage mich allerdings, aus welchem Grund du, nachdem du

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