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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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Achterknoten. Weller wird sich bewusst, an einem Wendepunkt ihrer Beziehung zu stehen. Wenn Henry jetzt stumm bleibt, blockt er weiter ab, vermeidet jede weitere emotionale Annäherung, weicht letztlich sich selbst aus. Da er klug ist, wird ihm dies in diesen Sekunden auch durch den Kopf gehen. Wie wird er sich entscheiden? Freundschaft und Nähe oder Schweigen und Einsamkeit? Er denkt an das, was er in der Akte über Henry notiert hat.
    S. ist nicht einen Hauch verschroben, verrückt, doppelgleisig – sondern völlig normal. Er zeigt jedoch starke einzelgängerische Tendenzen, geprägt von Verachtung und Arroganz anderen gegenüber. Er blickt distanziert auf die Welt, auf eine Weise, die keine Neugier verrät.
    Als Henry zu sprechen beginnt, schreckt Weller auf.
    »Es muss jemand gewesen sein, der ihn kannte und den er kannte. Es war kein Fremder, der auf Geld aus war oder einen Wagen stehlen wollte. Es fehlte ja weder die Kasse noch etwas anderes. Und er muss meinen Vater bedroht oder bis aufs Blut gereizt haben, sonst hätte der niemals seine Waffe aus dem Schreibtisch geholt.« Henry lässt seinen Blick über die Küstenlinie wandern, überlegt. »Vermutlich irgendeine nicht ganz saubere Geschichte, in die mein Vater verwickelt war.« Er schaut Weller kurz an. »Wir haben damals nicht nur Gebrauchtwagen verkauft, weißt du. Da lief manches sozusagen neben dem legalen Geschäft. Ich weiß auch nicht alles – so viel Vertrauen hatte mein Vater nicht in mich. Wir Sokops sind von Haus aus vorsichtig.« Er grinst Weller an und der merkt, wie er immer stärker den Abstand verliert, den er seinen Jungs und Mädels gegenüber wahren sollte.
    »Wenn der Mörder jemand war, den dein Vater kannte, ist es doch möglich, dass auch du ihn kennst«, überlegt Weller laut. »Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht die Spur einer Idee hast, wer es gewesen sein könnte.«
    »Natürlich habe ich damals in den ersten Wochen und Monaten mein Gedächtnis zermartert. Doch ich habe keinerlei Erinnerungen, habe nichts gesehen, nichts gehört, bevor ich das Bewusstsein verlor. Ich glaube, dass es ein Mann war, der mich niedergeschlagen hat – oder eine sehr große, starke Frau. Aber das ist schon alles. Eine Weile lang hatte ich die beiden Schrauber meines Vaters im Verdacht, doch mein Anwalt hat deren Alibis überprüfen lassen: Beide kamen nicht in Frage. Und letztlich haben sie nichts vom Tod meines Vaters gehabt – im Gegenteil, sie wurden arbeitslos. Und Kunden? Es hätte jeder gewesen sein können. Wo sollte ich da anfangen: bei dem Familienvater, der nach der Wende für mehrere tausend Mark ein Auto von uns gekauft hat, das ihm nach ein paar Monaten unter den Händen verrottet ist? Meine Güte, das wären Hunderte! Und selbst, wenn ich eine konkretere Ahnung hätte – was dann? Wie sollte ich es ihm beweisen? Vielleicht mit einem genetischen Fingerabdruck? Ich reiße demjenigen, wenn ich ihn gefunden habe, ein Haar aus, bringe es zur Polizei, die natürlich – ebenso wie die Staatsanwaltschaft – extrem motiviert ist, mich dabei zu unterstützen, den damaligen Ermittlern Pfusch nachzuweisen?« Er winkt ab. »Niemand hat ein Interesse daran, einen vermeintlich gelösten Fall wieder aufzurollen.«
    »Nur du.«
    »Wenn ich irgendeine Chance sehen würde, ja. Aber ich sehe keine. Hast du noch ein Bier für mich?«
    Weller reicht ihm eine Flasche. Sie trinken schweigend. Henry hält das Gesicht in die Sonnenstrahlen, spricht mit geschlossenen Augen.
    »Weißt du, was mich seit der Entlassung beschäftigt? Die Frage nach dem Sinn – nach meiner Identität, wenn du so willst. Ich fliehe aus der Wirklichkeit in die Wirklichkeit, lebe damit meinem eigenen Leben hinterher, in meinem persönlichen Niemalsland. Mein Denken und Handeln ist bestimmt von dem Versuch, die Wirklichkeit zu zähmen, für mich lebbar zu machen. Ich lerne überall Neues, halte Augen und Ohren offen. Doch wozu? Ich bin Sisyphos. Alles ist vergebens, ich kann die Felskugel nicht aufhalten. Alles wird fremder. Der Kopf ist eine Hölle.« Er öffnet die Augen, hält Wellers Blick fest. »Selbst, dass ich hier mit dir auf diesem Boot segele, hat etwas Irreales.« Er macht eine abwehrende Bewegung, als Weller ansetzt, um ihm etwas Aufmunterndes zu sagen.
    »Und weißt du, was das Schlimmste ist? Ich glaube, ich habe mich verliebt.«
    * * *
    Schon wieder hat sie diesen Traum gehabt. Ein Fragment nur. Sie entdeckt in ihrer Teeschale, kurz bevor sie diese an die

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