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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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verflogen.
    Lächelnd drückte die junge Frau ihm die Lagerkugeln in die Hand. »Und – was machen wir nun?«
    »Nun setzen wir das neue Teil ein«, sagte Adrian und lachte auf.
    In den nächsten Minuten reichte er Josefine brav die von ihr gewünschten Werkzeuge, während sie sich an seinem Velo zu schaffen machte. Sie setzte erst die Kugeln mit Hilfe des Lagerfettes an Ort und Stelle ein, die neue Gabel folgte, dann begann sie, gefühlvoll das Lagerspiel einzustellen. Am Ende konterte sie die Muttern wieder, so dass diese fest saßen. »Fertig!«
    Adrian staunte. Wie konzentriert sie arbeitete! Und wie sicher sie sich ihrer Sache war! Er hätte mindestens die doppelte Zeit für diese Aufgabe benötigt.
    »Woher kannst du das alles?«, fragte er verblüfft.
    Josefine zuckte mit den Schultern. »Ich hatte drei Jahre lang Unterricht bei einem der besten Mechaniker Berlins.«
    » Du ? Eine Frau?«
    »Was dagegen?«, fragte sie und schaute ihn mit blitzenden Augen herausfordernd an.
    Adrian hob abwehrend beide Hände. »Nicht im Geringsten! Aber du musst doch selbst zugeben, dass ein solches Wissen für eine Frau ungewöhnlich ist. Was sagen denn deine Eltern dazu, dass du diesen Beruf ergriffen hast?« Hatte Isabelle nicht erwähnt, dass Jo in einer Fabrik arbeitete?, fragte er sich stumm.
    »Meine Eltern?« Gedankenverloren rieb sich Josefine am rechten Ohrläppchen. »Mein Vater ist Hufschmied, und er war der festen Überzeugung, ich würde mein Leben neben ihm an der Esse fristen. Ohne Lohn, wohlgemerkt! Dass ich andere Interessen habe, akzeptiert er nicht. Ich bin nicht die Tochter, die meine Eltern sich gewünscht haben … Ich bin eine Enttäuschung für sie. Deshalb kam es schon vor Jahren zum Bruch zwischen uns.« Sie schaute Adrian herausfordernd an. »Nun lebe ich mein eigenes Leben, mit Regeln, die ich selbst aufstelle, und mir ist es egal, was andere davon halten.« Dann nahm sie einen Lappen und begann, Adrians Rad zu polieren.
    »Ja und?«, fragte er ein wenig atemlos. Warum legte sie den blöden Lappen nicht fort und erzählte weiter?
    »Was und?«
    »Na …« Ratlos fuchtelte Adrian mit der rechten Hand in der Luft herum. Ihm gingen so viele Fragen gleichzeitig durch den Sinn, dass er nicht wusste, welche er als erste stellen konnte.
    »Ich finde es bewundernswert, dass du dich so völlig von den Wünschen und Zwängen deiner Familie frei gemacht hast«, sagte er lahm. Das würde ich auch gern, fügte er im Stillen hinzu.
    Josefines rechte Hand sank nach unten. Ihre Augen waren auf einmal eine Nuance dunkler als zuvor, ihr Blick voller Tiefe und Nachdenklichkeit. »Ich habe mir das nicht ausgesucht. Das Leben ist nun mal, wie es ist. Das ist doch kein Grund, mich für irgendetwas zu bewundern.«
    Mit großen Augen schaute Adrian Isabelles Freundin an. In ihren Worten lag keinerlei Effekthascherei, nichts Aufgesetztes, nichts Bemühtes, so wie er es ständig bei den jungen Damen in seinem Umfeld erlebte. So wie oft bei Isabelle, die gern im Mittelpunkt stand. Oder bei seiner Schwester Irene, die alle stets mit ihrer Klugheit beeindrucken wollte.
    Während Jo weiter sein Velo polierte, hob sie erneut an: »Es wäre müßig, ewig der Vergangenheit und dem, was nicht hat sein dürfen, nachzuweinen. Stattdessen versuche ich, meine Pläne in die Tat umzusetzen. Zuerst muss ich eine gute Arbeit als Mechaniker finden. Derzeit bin ich nämlich in einer Schuhsohlenfabrik beschäftigt, und das ist alles andere als schön.« Sie zog eine Grimasse.
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte er und lächelte. »Wenn ich dir helfen kann …« Nicht dem nachweinen, was nicht hat sein dürfen. Josefines Worte hatten den Nagel auf den Kopf getroffen. Auch in seinem Leben gab es so viel, was nicht sein durfte …
    »Das schaffe ich allein, danke.« Josefine winkte ab. »Sobald ich eine gute Arbeit habe und gutes Geld verdiene, kaufe ich mir ein Fahrrad. Und mit dem möchte ich dann fahren, wann immer mir der Sinn danach steht!«
    Mit einem Lächeln legte Josefine den Polierlappen weg. »Ein schönes Velo hast du da. Ich nehme an, dass es dank der Vorderradgabel mit ihrem eigenartigen Profil fortan gegen Stöße noch besser gefeit sein wird als zuvor.« Interessiert fuhr sie mit der rechten Hand über das neue Teil.
    Verwirrt schaute Adrian erst Josefine, dann sein Velo an. »Hast du den Werbetext aus dem Katalog des Herstellers auswendig gelernt?«
    »Wie meinst du das? Es ist doch offensichtlich, wozu dieses Teil gut

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