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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie dieses Spiel als Kinder gespielt hatten. Unschuldige Zeiten waren das gewesen. Freundinnen. Sie hatte keine mehr. Sie war allein. Aber war sie das nicht schon immer gewesen?
    Isabelle spürte etwas Salziges auf ihren Lippen. Es war nicht die feuchte Meeresluft. Fahren, in die Pedale treten, schneller. Vielleicht konnte sie so dem Gedankenkarussell entrinnen. Schneller. Noch schneller.
    Na also, es ging doch.
    Doch dann setzte sich ein flaues Gefühl in Isabelles Magengegend fest. War es Hunger? War es der Durst? Sie wusste es nicht. Noch eins der trockenen Butterbrote mochte sie nicht essen. Vielleicht hatte Leon in der Zwischenzeit etwas Besseres für sie organisiert? Eines der süßen Gebäckstücke, die es in den Kopenhagener Konditoreien gab, und heißen Tee dazu.
    Isabelle drehte ihr linkes Handgelenk so, dass sie die Zeit von ihrer Uhr ablesen konnte. Krampfhaft starrte sie darauf. Was bedeutete die Stellung der Zeiger? Gleich acht Uhr morgens. Vor fast vierundzwanzig Stunden waren sie losgefahren. »Slangerup« stand auf einem Schild, das an eine große Eiche genagelt worden war. Der Name kam ihr bekannt vor. War sie hier schon einmal vorbeigekommen? Nein, das konnte nicht sein, der Ort hieß Jyderup. Was für komische Namen. Sie kicherte hysterisch. Hieß das auch, dass sie bald in Kopenhagen sein würde? Kopenhagen … Wendepunkt. Ein Punkt zur Umkehr. Wie dämlich von Charles Hansen, das Rennen nicht dort enden zu lassen. Fünfhundert Kilometer wären zwar kein Damen-Streckenrekord gewesen, aber auch nicht zu verachten, oder?
    Charles Hansen und Susanne Lindberg. Noch so ein Liebespaar … Noch immer von Kopenhagen nichts in Sicht. Dafür dieser elende Gegenwind. Kam sie überhaupt noch voran? Oder fiel sie immer weiter zurück?
    Wimmernd kämpfte Isabelle gegen den Wind an. Sie war so allein. Und so müde. Leon, wo bist du?
    Die Sonne kletterte nun schnell am Himmel empor. Sie war gleißend hell. Isabelle blinzelte. Ihre Augen tränten, sie konnte nur noch schlecht sehen. Alles war dämlich! Das Rennen, die Strecke, die anderen. Aber war das bei einem Damenrennen ein Wunder? Ihr Lachen klang so seltsam, dass ihr unheimlich zumute wurde. Was war los mit ihr?
    Isabelle wurde schwarz vor Augen, ihr Rad kam ins Straucheln, schon schoss das Vorderrad über die Straße hinweg eine kleine Böschung hinunter. Sie überschlug sich und stürzte über den Lenker ins Gras. Die Sonne war fort. Sie verspürte keinen Durst mehr. Und keinen Hunger. Endlich.

    Slangerup – wie so viele dänische Orte war auch dieser einst von einem Wikinger gegründet worden. Wo kamen diese wilden Seefahrer eigentlich ehemals her?, fragte sich Jo, während sie den Ort rechts liegenließ. Sie hatte sich zwar vor ihrer Abreise, so gut es ging, über Dänemark informiert, aber über Wikinger nicht sehr viel gefunden. Und nun war es auch besser, sich auf die kurvenreiche Straße zu konzentrieren, statt sich unnötige Fragen zu stellen, rief sie sich zur Räson.
    Obwohl es erst morgens halb neun war, stand die Sonne schon hoch am Horizont. Josefine hatte das Gefühl, dass es hier oben im Norden, so nahe am Meer, viel heller war als anderswo. Das Sehen im grellen Licht strengte sie an, sie sehnte sich nach ihrer Schirmmütze. Sobald sie Kopenhagen erreicht hatte, würde sie anhalten und die Mütze aus ihrer Tasche holen.
    Kopenhagen … Damit hatte sie die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Dort würde sie auch Adrian wiedersehen. Er und Gerd Melchior waren irgendwo hinter ihr. Falls keiner der Fahrer eine größere Panne hatte, die die mobile Werkstatt unnötig lange aufhalten würde, müssten die beiden Männer bald nach ihr in Kopenhagen eintreffen. Eine halbe Stunde würde sie auf Adrian warten, sollte er dann nicht angekommen sein, würde sie weiterfahren, beschloss Jo.
    Noch lag sie sehr gut in der Zeit. Achtundzwanzig Stunden für knapp fünfhundert Kilometer – war das nicht fantastisch? Natürlich war ihr klar, dass sie dieses Tempo nicht würde halten können, spätestens am Mittag, um ein, zwei Uhr, würde sie die nächste Schlafpause einlegen müssen. Und wie es danach weiterging, würde sich dann herausstellen. Aber noch fühlte sie sich gut, sie fühlte sich sogar blendend!
    Josefines Lächeln erstarb, als sie weiter vorn am Straßenrand etwas silbrig glänzen sah. Waren das Scherben? Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Falls ja, musste sie aufpassen, dass sie sich nicht die Reifen an etwas

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