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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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stieg auf ihr Rad und spürte, wie ihr sogleich leichter ums Herz wurde. Isabelle war versorgt. Was nun wieder zählte, war das Rennen.

34. Kapitel
    Hinter Ballerup, einer kleinen Stadt westlich von Kopenhagen, begannen die Krämpfe. Zuerst war es nur die rechte Wade, die sich bei jedem Durchstrecken des Beins schmerzhaft zusammenzog. Dann kam die linke Wade dazu. Josefine nahm beide Füße von den Pedalen, dehnte und streckte ihre Beine auf jede erdenkliche Weise. Einen Moment lang glaubte sie tatsächlich, dass sich die Krämpfe wieder legen würden. Doch als sie erneut beherzt in die Pedale trat, bekam sie in der rechten Wade einen derart heftigen Krampf, dass sie vor Schmerz laut aufschrie. Ihr Rad kam ins Schlingern, und ihr  blieb nichts anderes übrig, als an den Rand zu fahren und abzusteigen. Auf der Straße hockend, massierte sie ihre Waden. Krämpfe – das war das Letzte, was sie gebrauchen konnte, dachte sie, während ihr vor Schmerz fast die Tränen kamen. Aber nach der verkrümmten Haltung, in der sie die letzte Stunde verbracht hatte, durfte sie das eigentlich nicht wundern.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppte sie sich wieder aufs Rad. Das Treten der Pedale fiel ihr schwer, aber immerhin kam sie voran. Doch schon nach wenigen Kilometern musste sie erneut absteigen, weil die Krämpfe zu heftig wurden. Waden massieren, ein paar Schlucke Zuckerwasser trinken und hoffen, dass das gegen die Krämpfe half, aufs Rad steigen, ein Stück fahren, wieder absteigen wegen eines neuerlichen Krampfs – in diesem unseligen Rhythmus verging die nächste Stunde. Als zu Josefines Rechten Roskilde in Sicht kam, war sie entnervt und wütend zugleich. Es konnte doch nicht angehen, dass ein paar Wadenkrämpfe ihr Rennen kaputtmachten!
    Wenn sie sich richtig erinnerte, lag hinter Roskilde, kurz nach der Kontrollstation, wo sie ihr Heft abstempeln lassen musste, ein Bauernhof, in dessen Einfahrt ein großer Wassertrog mit Brunnen stand. Der Hof war ihr beim ersten Vorbeifahren aufgefallen, weil er wesentlich größer und gepflegter war als die meisten anderen Gehöfte in dieser Gegend. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie ihre Beine eine Weile ins Wasser steckte?
    Ihre Erinnerung trog sie nicht, nach knapp zehn Minuten Fahrt im Schneckentempo erreichte sie den Brunnen. Weit und breit war niemand zu sehen, bei diesem schönen Wetter waren die Bauern sicher alle auf ihren Äckern. Umso besser! So musste sie keine langwierigen Erklärungen abgeben.
    Ungelenk hob Jo erst ein Bein, dann das zweite in den Trog und  hockte sich auf den Rand. Das Wasser war eiskalt. Josefine formte mit beiden Händen eine Schale, hielt sie unter den Brunnenhahn und trank gierig. Zwischendurch spritzte sie sich immer wieder das erfrischende Nass ins Gesicht, das von der erbarmungslos herunterbrennenden Sonne heiß und gerötet war. Sie seufzte vor Wohlbefinden auf. Nie mehr wollte sie hier aufstehen!
    Nach einer Viertelstunde schwang sie dennoch ihre eisgekühlten Beine über den Trogrand auf den sandigen Boden. Sie fühlte sich so frisch und kräftig wie seit Stunden nicht mehr. Doch kaum hatte sie einen Schritt in Richtung Fahrrad getan, wurde sie von einem neuerlichen Krampf geplagt, allerdings diesmal in ihrem rechten Oberschenkel …
    Und nun? Sie konnte sich doch nicht stundenlang in den Trog hocken wie in eine Badewanne! Verzweifelt wühlte Jo ihre Taschen durch nach irgendetwas, was ihr helfen konnte, als hinter ihr plötzlich eine laute Männerstimme ertönte: »Hey!«
    Erschrocken fuhr Jo herum. Vor ihr stand ein kräftiger Mann mit einem breiten Kreuz, an seiner Seite stand ein ebenso massiger Hund, der seinem Herrchen auf seltsame Weise ähnelte. Sein Kopf reichte dem Mann fast bis zur Hüfte.
    Der Bauer und sein Wachhund. Auch das noch.
    »Hvad er der i vejen?«, herrschte der Mann sie an. Sein Gesicht war von roten Adern durchzogen, was ebenso von der Arbeit in der rauen Seeluft herrühren konnte wie vom Genuss von zu viel Aquavit. Schwerfällig rappelte sich Josefine auf.
    »Hvad med dig her?«
    Was sie hier machte? Am besten machte sie sich eiligst davon!
    Doch der Mann baute sich breitbeinig vor ihr auf und versperrte ihr den Weg zu ihrem Rad.
    »Stop!« Ein Wort wie ein Peitschenhieb. Der Hund des Mannes knurrte dazu.
    Jos Herz klopfte, als würde sie mit einem Tempo von dreißig Stundenkilometern dahinrasen. Vergeblich versuchte sie, zuerst rechts, dann links an ihm vorbeizukommen.
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie

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