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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Professor Dingsda und keinen Herrn Direktor Soundso und auch keine Komtesse Trara. Unsere Gäste sollen für die Dauer ihres Aufenthalts vergessen, wer sie sind und woher sie kommen. Also denken wir uns für jeden einen schönen Namen aus und verwenden dazu ein freundschaftliches ›Sie‹. Oder in deinem Fall, weil du noch so arg jung bist, ein freundschaftliches ›Du‹.« Es entstand eine kleine Pause. Als Josefine weiterhin schwieg, ergriff die Empfangsdame wieder das Wort. »Wie nennt man dich zu Hause?«
    Verunsichert sagte Josefine ihren Namen. Das stand doch alles auf ihrem Anmeldeformular, oder?
    »Und hast du einen speziellen Spitznamen?«
    »Nein, höchstens … Meine Freundin Clara nennt mich manchmal Josie.«
    »Josie.« Die Empfangsdame ließ den Namen wie einen Schluck Wein über ihre Lippen rollen. »Josie.« Sie schüttelte den Kopf und sagte dann mit Bestimmtheit: »Das passt nicht zu dir. Ist viel zu süßlich. Hier bei uns werden wir dich Jo nennen.«
    »Jo?« Josefine lachte irritiert. »Aber … das ist doch ein englischer Männername, oder?«
    Die Frau machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wen interessiert das? Es ist kurz und knapp, und das kann nie schaden. Ich bin übrigens Roswitha.« Obwohl sie sich schon zuvor am Tresen in der Empfangshalle die Hand gereicht hatten, wiederholte Roswitha diese Geste nun. »Herzlich willkommen in Schömberg, liebe Jo!«
    Schon auf dem Gang war das Klirren von Besteck und Gläsern zu hören. Leises Stimmengemurmel und vereinzeltes Gelächter ertönte, auch hörte Josefine jemanden hart und trocken husten. Sofort verspürte sie selbst ein Kratzen im Hals. Sie schluckte jedoch, um den Hustenreiz zu vertreiben, und ging zögerlich weiter.
    Wie gut es hier roch. Nach Gemüsesuppe und etwas Süßem. Pfannkuchen vielleicht? Eigentlich hatte sie ziemlich großen Hunger …
    Ihren ganzen Mut zusammennehmend, betrat Josefine den Speisesaal. Es war ein quadratischer holzgetäfelter Raum, dessen Fenster von denselben rosa-weiß karierten Vorhängen geziert wurden wie das in ihrem Zimmer. Die meisten der zehn oder zwölf Tische waren schon besetzt. Und nun? Wohin sollte sie –
    Bevor der Moment peinlich werden konnte, war Roswitha an ihrer Seite.
    »Meine Damen, meine Herren, darf ich unseren neuen Gast vorstellen – Jo aus Berlin! Sie ist heute angekommen.«
    Josefine machte einen kleinen Knicks und lächelte schüchtern in die Runde. Ein paar Gäste erhoben ihre Gläser zum Gruß, andere nickten ihr freundlich zu. Eine der Frauen schaute gar nicht auf, sondern schrieb unaufhörlich in ein kleines Buch.
    »Und das hier ist dein Tisch. Du sitzt bei Annabelle und Guiseppa.«
    Im nächsten Moment saß Josefine zwei wildfremden Frauen gegenüber. Eine davon war die Schreiberin. Ein junges Mädchen mit Schürze stellte einen Teller Suppe vor sie hin.
    »Guten Appetit! Kräftigende Mahlzeiten sind für die Genesung so wichtig wie die gute Luft und die ärztliche Behandlung«, sagte die jüngere der beiden Frauen. »Ich bin Annabelle und schon seit drei Wochen hier. Ein alter Hase sozusagen!« Ein müdes Lächeln erhellte für einen Moment ihr abgezehrtes Gesicht. »Falls du etwas wissen möchtest, dann frag mich nur. In welchem Zimmer haben sie dich denn untergebracht?«
    Bevor Josefine sichs versah, hatte sie den Teller Suppe leer gegessen und war in ein angeregtes Tischgespräch über die Kurklinik, den Schwarzwald im Allgemeinen und Schömberg im Besonderen verwickelt. Da Annabelle mit ausgeprägt bayerischem Akzent sprach, verstand sie zwar nicht alles auf Anhieb, aber das machte nichts. Erst als sie wieder in ihrem Zimmer war, fiel ihr auf, dass niemand über seine Krankheiten gesprochen hatte.

5. Kapitel
    »Für dein Alter und deine Größe könntest du ein paar Kilo mehr wiegen und allgemein kräftiger sein, aber wie es aussieht, bist du nicht an Tuberkulose erkrankt«, sagte Doktor Homburger, einer der Sanatoriumsärzte, nachdem er Josefine über eine Stunde lang abgehört, abgetastet und ausgefragt hatte. Sie hatte auf Kommando husten, die Luft anhalten und wieder ausatmen müssen. Sie hatte den Gang des Sanatoriums, das einst das Gasthaus zum Hirschen gewesen war, entlangrennen müssen, bis sie ganz aus der Puste war. Dann hatte der Arzt erneut sein Hörrohr auf ihre Brust gesetzt und diese mit zur Grimasse verzogener Miene abgehört.
    Noch nie in ihrem Leben hatte sich jemand so ausgiebig mit ihr beschäftigt. Josefine war beeindruckt und

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