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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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beschloss sie, als sie hinter sich erneut Claras Juchzen vernahm.
    »Das kann ich auch! Schaut her, schaut her!«
    Tatsächlich hatte auch Clara ihre Hände vom Lenker genommen, wenn auch nur eine knappe Handbreit. So viel Mumm hätte Josefine ihrer Freundin gar nicht zugetraut. Doch dann sah sie, wie Claras Lenkstange plötzlich nach links drehte. Bevor Clara etwas tun konnte, schlug auch das Vorderrad um, das Velo blockierte, und Clara wurde kopfüber über die Haltestange geschleudert. Im nächsten Moment lag sie wimmernd im staubigen Kies, ihr rechtes Bein seltsam verdreht.
    Josefine ließ das Limonadenglas fallen und rannte zu der Gestürzten. »Hast du dir etwas getan? Clara, was ist los, so sprich doch.« Erschrocken registrierte sie Claras blutige, aufgeschürfte Knie, an denen kleine Steinchen, Schmutz und Stofffasern klebten. An ihrer rechten Wade lief Blut hinab.
    »Mein Bein, es tut so weh …«
    Während Lilo Claras Kopf hielt, zerrte Josefine hektisch an Claras Rock, der sich zwischen den Speichen des Vorderrades verfangen hatte. Mit einem lauten Ratsch bekam sie den Stoff endlich frei. Vorsichtig versuchte sie, Claras angewinkeltes Bein auszustrecken. Doch bei der ersten Berührung schrie Clara schon vor Schmerz auf. Entsetzt ließ Jo von ihr ab.
    »Ich fürchte, das Bein ist gebrochen«, sagte Lilo leise. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen, bei einer Kuh. Wir mussten das arme Tier –«
    »Das reicht«, unterbrach Isabelle sie barsch.
    Hilflos schauten sich die jungen Frauen an, während Clara weinend auf dem Boden lag. Ausgerechnet jetzt öffnete der Himmel seine Schleusen. Harte, pfenniggroße Regentropfen trommelten auf sie herab.
    Es war Isabelle, die als Erste aus der Schreckstarre erwachte. Hektisch flog ihr Blick von einer zur anderen.
    »Wir müssen Clara von hier fortschaffen. Und die Velos müssen auch weg, in den Schuppen! Wenn meine Eltern erfahren, wie es zu Claras Unfall kam, kann ich das Velofahren für immer vergessen.«
    Fassungslos schaute Josefine die Unternehmertochter an. »Wie kannst du jetzt an dich denken? Wir müssen einen Arzt holen, und zwar sofort.«
    Lilo schüttelte den Kopf. »Ein Arzt kann hier nichts ausrichten. Clara muss in ein Krankenhaus, ein solcher Bruch muss geschient werden, vielleicht auch operiert«, sagte sie, woraufhin Clara noch lauter aufheulte.
    Erschrocken schaute Isabelle in Richtung Wohnhaus. »Nicht so laut«, zischte sie. »Ich hole Hilfe, versprochen! Aber zuerst müssen die Räder in den Schuppen. Und dann tragen wir Clara gemeinsam nach vorn auf den Gehsteig und sagen, sie hätte sich dort das Bein gebrochen.«
    »Der Rock war schuld!« Josefine schaute Isabelle und Lilo entschieden an. »Wäre er nicht in die Speichen geraten, wäre Clara nicht gestürzt.«
    »Hätten wir ihr bloß mein Velo gegeben, dann wäre Clara nicht so dumm gefallen, und wir dürften weiterhin Velo fahren«, murrte Isabelle.
    Jo warf ihr einen unfreundlichen Blick zu.
    Auch an diesem Abend hatten sie Clara, deren Bein tatsächlich gebrochen war, im Diakonissenkrankenhaus besucht. Lilo hatte der Kranken Früchte aus Friedas Garten mitgebracht, Isabelle Zeitschriften und Bonbons, die sie sich schwesterlich teilten. Doch nach kurzer Zeit hatte eine gestrenge Schwester sie mit dem Hinweis vertrieben, dass die Kranke Ruhe benötige. Am Ende waren sie im Herrenhus’schen Hof gelandet, wo sie nun lustlos und müde von der Augusthitze herumsaßen.
    »Vielleicht war es aber auch ein Schlagloch, in das sie geraten ist, und der Rock ist erst beim Sturz zwischen die Speichen geraten«, sagte Lilo, während sie mit einem Stock im weißen Kies herumstocherte.
    »Hier gibt es keine Schlaglöcher, sieh dich doch um«, sagte Isabelle spitz.
    Lilo nickte unglücklich. »Ach, hätte ich sie nur nicht zum freihändig Fahren verführt …«
    »Sie hätte es dir ja nicht gleichtun müssen, schließlich weiß sie selbst sehr gut, dass sie nicht die beste Velofahrerin ist«, erwiderte Isabelle.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Diskussion führten.
    Moritz Herrenhus hatte ihre Geschichte, dass Clara auf dem Trottoir gestürzt war und sich dabei das Bein gebrochen hatte, keine Minute lang geglaubt. Vielmehr hatte er sie dumme, unvorsichtige Gänse geheißen und laut getönt, dass Frauen allem Anschein nach doch eher an die Nähmaschine gehörten als auf ein Velo. Das Velofahren hatte er ihnen bis auf weiteres verboten.
    Josefine schaute sehnsüchtig in Richtung des

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