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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zu sein.« Mit einer ruckartigen Bewegung zog er sein Jackett glatt, dann ließ er seinen Blick über das Gelände schweifen. »Hier verkehren wohl ziemlich reiche Leute. Nun wundert es mich noch mehr, dass du eine Einladung bekommen hast.«
    Clara schmunzelte. Hatte sie Gerhard also ausnahmsweise einmal beeindrucken können! Allerdings, wenn sie ehrlich war – so hatte sie sich Isabelles Veloverein gewiss nicht vorgestellt. Das ganze Ambiente wirkte so edel und vornehm! Und wie gut gekleidet die Damen und Herren waren, die sich hier tummelten! Alles kam ihr längst nicht so staubig und rustikal vor wie die Velobahn, die sie einst mit Isabelles Vater besucht hatten. Dazu die frohe Stimmung … Clara spürte, wie die gute Laune ringsum auf sie abfärbte. Neugierig schaute sie sich weiter um.
    Überall waren junge Damen zu sehen, die auf Hochglanz polierte Velos neben sich herschoben, umringt von ihren stolzen Vätern und herausgeputzten Müttern. Manch eine junge Frau wurde auch von einem Verehrer begleitet. Und hie und da tummelten sich Kinder im Sonntagsstaat – jüngere Geschwister, die neidisch auf die große Schwester linsten.
    »Nun mach schon, wir wollen dich fahren sehen!«, ertönte eine Frauenstimme ein Stück weiter rechts von ihnen. Sie gehörte einer eleganten Dame mittleren Alters, deren lilafarbenes Kostüm samt wagenradgroßem Hut auch auf eine vornehme Galopprennbahn gepasst hätte.
    »Ja, Schwesterherz, zeig uns, was du kannst!«, rief der kleine Junge, der neben ihr stand.
    Im nächsten Moment schwang sich ein blondes Mädchen auf sein Damenrad. Unter dem Applaus ihrer Familie drehte sie ein paar Runden.
    Gerhard Gropius runzelte die Stirn. »Hast du das gesehen?«
    Clara nickte. Ihr fiel es schwer zu begreifen, was sie sah: Junge Frauen, die in aller Öffentlichkeit ihrer Leidenschaft fürs Velofahren frönten. Was für ein Unterschied zu der Heimlichtuerei, die Isabelle, Josefine und sie im Fabrikhof der Familie Herrenhus betrieben hatten! Ob sie überhaupt noch Velo fahren konnte? Oder hatte sie es längst wieder verlernt? Auf einmal verspürte sie unbändige Lust, sich ein Rad zu schnappen und selbst eine Runde zu drehen. Sie kicherte leise, was ihr einen schrägen Seitenblick von Gerhard eintrug.
    »O schau – da hinten steht Isabelle!« Schon befreite sie sich von Gerhards Arm und lief winkend auf die Unternehmertochter zu, die zusammen mit einer anderen jungen Frau am Eingang eines langgestreckten Gebäudes stand und händeschüttelnd die ankommenden Gäste begrüßte. Bei Claras Anblick verließ sie ihren Posten und kam ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen.
    »Herzlich willkommen im 1. Berliner Veloverein für Damen«, sagte sie und umarmte Clara überschwänglich. »Wie schön, dass du gekommen bist. Und dazu noch in so netter Begleitung …«
    Clara entging der kokette Blick, den Isabelle ihrem Verlobten zuwarf, nicht. Sogleich verspürte sie einen Stich Eifersucht. Gerhards Wirkung auf das weibliche Geschlecht war ihr inzwischen bekannt, angefangen bei ihrer Mutter bis hin zu der ältlichen Empfangsdame in seiner Praxis – alle schwärmten für den attraktiven jungen Arzt. Und nun also auch Isabelle.
    »Darf ich vorstellen – Doktor Gerhard Gropius, mein Verlobter!« Der Stolz in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Lächelnd wandte sie sich ihrem Liebsten zu und wollte sich besitzergreifend bei ihm einhängen. Doch just in diesem Moment machte Gerhard einen Schritt zurück. Claras Hand griff ins Leere.
    »Habe ich richtig gehört, das hier ist ein Damenverein ?« Verwirrt schaute Gerhard von einer Frau zur anderen.
    Isabelle grinste. »Ja, lieber Doktor Gropius, es ist tatsächlich wahr. Irene Neumann und ich haben geschafft, was uns niemand zugetraut hat – wir haben einen Verein gegründet, in dem Damen unbehelligt dem Radsport frönen können.« Sie nickte Irene zu, die ein paar Schritte weiter neu angekommene Gäste in Empfang nahm.
    »Wenn das Josefine miterleben könnte … Sie hätte an diesem Tag ihre helle Freude«, seufzte Clara, während ein paar sportlich gekleidete Herren auf ihren Velos an ihnen vorbeifuhren. Im nächsten Moment erschienen zwei Damen. Lachend und plaudernd fuhren sie den Herren hinterher. Clara und Isabelle tauschten einen verstohlenen Blick. Einen Moment lang war das alte Band der Freundschaft, das sie einen Sommer lang verbunden hatte, wieder da.
    »Was ihr hier erschaffen habt, ist wirklich wunderbar«, sagte Clara leise und wünschte

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