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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sich plötzlich, wenigstens einen kleinen Beitrag zu diesem Unterfangen geleistet zu haben.
    »Aber … Radfahren ist für Damen absolut schädlich! Aus sportmedizinischer Sicht gibt es nichts Schlimmeres, als auf einem dieser Geräte zu sitzen. Wie viele Knochenbrüche habe ich in meiner Zeit im Krankenhaus gesehen, die allein aufs Velofahren zurückzuführen waren. Des Weiteren gefährdet diese Sportart sämtliche inneren Organe, sie führt zu zahlreichen Herzerkrankungen und bringt binnen kürzester Zeit katzenbuckelartige Deformationen der Wirbelsäule hervor. Von den … geschlechtlichen Auswirkungen einmal ganz abgesehen. Clara!«, sagte Gerhard so heftig, dass sie zusammenzuckte. »Was hast du dir nur dabei gedacht, mich hierherzuschleppen? Ich hoffe doch sehr, dass du selbst nicht auch schon solch unweiblichem Treiben gefrönt hast!« Seine sonst so sanfte Stimme klang laut, fast blechern.
    »Nein! Ja … Ich …« Hilflos schaute Clara von ihrem Verlobten zu Isabelle. So aufgebracht kannte sie Gerhard gar nicht.
    »Nun beruhigen Sie sich doch, lieber Herr Gropius«, sagte Isabelle mit halb amüsiertem, halb gequältem Lächeln. »Mir sind die Einwände, die manche Ärzte gegen das Velofahren hegen, nicht unbekannt, aber ich kann Ihnen versichern, dass nichts daran ist. Seit ich mit dem Velo fahre, fühle ich mich so gut wie nie –«
    »Was Sie fühlen und was die moderne medizinische Forschung sagt, sind zwei sehr verschiedene Dinge!«, unterbrach Gerhard Gropius die Unternehmertochter barsch. Er warf einer Fahrerin, die just in dem Moment an ihnen vorbeikam, einen angewiderten Blick zu.
    »Ihre Aussage beweist doch lediglich, wie wenig Sie die Auswirkungen Ihres Tuns überblicken. Umso sträflicher ist es, dass Ihre Eltern und Ihr Herr Verlobter Sie nicht von solch einem Treiben abhalten. Wo ist Ihre Familie überhaupt? Wissen Ihre Eltern, was Sie hier treiben?«
    »Gerhard«, sagte Clara leise mahnend, »Moritz Herrenhus hat Isabelle doch selbst schon vor Jahren ein Velo geschenkt. Ich kann wirklich nichts Verwerfliches daran finden, dass Isabelle und ihre Freundinnen hier ein paar Runden drehen. Ein Hobby, ein hübscher Zeitvertreib, nicht mehr und nicht weniger. Ich …« Doch als sie seinen feindseligen Blick sah, beschloss sie, besser nichts mehr zu sagen.
    »Ein feiner Zeitvertreib!«, spie Gerhard ihnen entgegen. »Einer, der die weibliche Moral völlig außer Kraft setzt. Einer, bei dem geschlechtliche Erregungen im Vordergrund stehen! Täusche ich mich oder sitzen Sie etwa nicht im Reitersitz auf dem Velo? Ich möchte mir nicht vorstellen, welche … Gefühle Sie dabei hegen. Pfui Teufel, kann ich da nur sagen.« Er packte Clara grob beim Arm. »Ich werde nicht zulassen, dass du dir dieses Treiben auch noch aus der Nähe anschaust. Es ist schon so mancher allein vom Zusehen verdorben worden. Wir gehen!«
    Am Abend kehrte Clara müde und mit Sonnenbrand auf den Armen nach Hause zurück. Zum Verdruss ihrer Mutter, die alles über den Tag hören wollte, ging sie direkt in ihr Zimmer. Dort setzte sie sich an ihren Sekretär und holte Briefpapier und Tinte hervor. Diese Tage kam es selten vor, dass sie Josefine einen Brief schrieb – nach der Arbeit war sie dazu meist zu erschöpft. Doch heute hatte sie den ganzen Tag über immer wieder an die Freundin denken müssen.
    Liebe Josefine
    schrieb sie, dann ließ sie ihre Feder sinnend sinken. Was für ein langer, aufregender Tag! Wo sollte sie anfangen, wo aufhören?
    Nachdem Gerhard und sie Isabelles Fest so fluchtartig verlassen hatten, war sie wie ein gescholtenes Hündchen hinter ihm hergelaufen. Verwirrt und geängstigt zugleich. Sie hatte mit ihm über alles noch einmal in Ruhe sprechen wollen, aber ihr war kein geeigneter Einstieg eingefallen. Mit noch immer versteinerter Miene hatte Gerhard sie in ein elegantes Café am Spreeufer eingeladen, wo sich seine Laune zum Glück bald wieder merklich hob. Sie hatten Eis gegessen und sich ausgemalt, wie es wohl wäre, in Italien zu sein. Gerhard hatte das Thema Hochzeitsreise aufgebracht.
    »Wie wäre eine Reise ins Land, in dem die Zitronen blüh’n?«, hatte er Clara gefragt. Und obwohl es ihr in der Junisonne schwerfiel, einen kühlen Kopf zu bewahren, erinnerte sie ihn an die Schuldenlast, die er bei Übernahme der Praxis auf sich genommen hatte. »Vielleicht sollten wir unsere Hochzeitsreise deshalb um ein paar Jahre verschieben?«
    »Solang wir nur unsere Hochzeit nicht verschieben!«, hatte

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