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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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selbst in die Hand.
    Von all dem hatte Feodora keine Ahnung, und Julia dachte nicht daran, das fröhliche Kind mit ihrem Schicksal zu belasten. Sie würde noch früh genug den Ernst des Lebens kennenlernen.
    Auf dem Schloss herrschte eine strenge Hierarchie. Niemals hätte Elfriede, die Mamsell, zusammen mit den Küchenmädchen gegessen. Sie aß in einem Zimmer mit Alfons, dem Ersten Diener, und mit der Hausdame Frau Steinle, die wiederum nicht mit den Stubenmädchen aß. Lakaien und Stubenmädchen saßen im Nachbarraum und Küchenmädchen und der Rest des Gesindes in der Gesindestube. Normalerweise betrat eine Gouvernante selten die Wirtschaftsräume, aber Feodora bestand darauf, dass sie Elfriede kennenlernte. »Sie ist mit meiner Tante Carla befreundet und immer so lieb zu mir. Ich will, dass du sie auch nett findest.«
    Da Julia von Pulkendorf jeglicher Dünkel fremd war, fiel es ihr nicht schwer, Elfriede zu mögen. Sie war eine Seele von Mensch mit einem Herz aus Gold, das hatte die Gouvernante sofort erkannt. Außerdem liebte sie Elfriedes ostpreußischen Dialekt. Herzerfrischend fand sie das.
    Von der Mamsell erfuhr sie nun alles über Carla und deren Schicksal, über Emma, die für Carla so etwas wie ein Mutterersatz gewesen war, und darüber, wie es dazu kam, dass Elfriede von Kindheit an Carlas Vertraute war. »Nie nich hat se dat Komtesschen rausjehängt, och nich, als se erwachsen war«, erzählte Elfriede. »Mein Muttche hat ihr so jern jehabt.«
    Wenn Feodora bei den Gesprächen nicht dabei war, beschwerte sich Elfriede bitter über Natascha. »Isset nich schrecklich. Dat is doch keene Mutter nich. Nie nich isse zu dem Fedachen wie zum kleenen Jrafen.«
    Julia wusste längst, dass Elfriede ihre Informationen täglich von Alfons und Else bekam. »Wie sich im Leben allet wiederholt«, sagte Elfriede bekümmert. »Dem armen Kindchen jeht es ja fast so wie damals Carla. Och keene richtige Mutter nich.«
    Auch Elfriede bekam regelmäßig Post aus Neuseeland. Einmal, bei einem ihrer Besuche in der Küche, fand die Gouvernante sie vor einem leeren Blatt Papier, an ihrem Federkiel kauend. »Ach, Frollein von Pulkendorf, Sie kommen ja wie jerufen. Ik muss endlich an Carla schreiben und bin schon janz bedripst, weil ik nich weeß, wo ik anfangen soll.« Sie sah ganz unglücklich aus. »Wissen Se, schreiben is nich so janz meine Stärke nich.«
    Die Gouvernante musste lachen. »Soll ich das vielleicht für Sie übernehmen?«
    Elfriede strahlte. »Wenn Se dat machen könnten …«
    Und so begann ein reger Briefwechsel zwischen Carla von Harvich und Julia von Pulkendorf, immer adressiert an Elfriede.
     
    Es war Anfang April. Das Frühjahr kündigte sich mit wilden Stürmen an. Seit einigen Tagen schmolz der Schnee, und die Buchsbäumchen im Park verloren ihr geheimnisvolles Aussehen. Der Pregel führte bereits Hochwasser, und bald würden die Wiesen im Tal überflutet sein. Noch war es kalt und ungemütlich, und die Kamine im Schloss würden wohl auch noch eine Weile brennen müssen.
    Natascha und Leopold saßen im kleinen Salon. Sie erwarteten Doktor Grüben. Natascha hatte nach ihm schicken lassen. Rüdiger litt unter leichtem Fieber, und sie wollte sichergehen, dass es nichts Ernstes war. Als sie die eiligen Schritte des Arztes auf dem Gang hörte, atmete sie erleichtert auf. »Da bist du ja endlich«, rief sie. »Wir warten schon ewig auf dich.«
    »Es wird doch wohl niemand sterbenskrank sein«, sagte Konrad Grüben lachend. »Vorgestern, als ich mit dir Schach gespielt habe, Leopold, waren doch noch alle gesund.«
    »Nein, so schlimm ist es nicht«, erwiderte Leopold. »Rüdiger hat nur etwas erhöhte Temperatur …«
    »Na, dann kann ich mich ja erst mal ein wenig aufwärmen.« Er hielt seine klammen Finger an das Kaminfeuer. »Und einen heißen Grog könnte ich auch vertragen.« Er schüttelte sich. »Es ist immer noch saukalt. Der Wind ist eisig, sage ich euch, und die Wege sind völlig aufgeweicht. Mein Pferd ist kaum vorangekommen. Zeitweise stak es knöcheltief im Matsch.«
    »Wie sollte es auch anders sein«, warf Leopold ein. »So ist es doch jedes Jahr. Um diese Jahreszeit sollte man möglichst das Haus nicht verlassen.«
    Nun lachte Grüben aus vollem Hals. »Du hast gut reden, mein Lieber. In solchen Zeiten denke ich auch manchmal, den falschen Beruf gewählt zu haben.«
    Konrad Grüben hatte kurz nach Rüdiger gesehen. »Das Kind ist leicht erkältet«, sagte er, als er zurückkam. »Zwei bis

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