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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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Sie betete, die Fehler, die sie bei Josephine begangen hatte, mögen bei dem neuen Baby nicht wiederholt werden, das einen echten Neuanfang, eine neue Chance aufs Leben verdient hatte. Sie betete, sie möge dem Baby zeigen können, dass sie es liebte, etwas, was sie bei ihrer eigenen Tochter nie vermocht hatte.
    Es dauerte noch eine Stunde, bis eine Schwester kam, um sie ins Zimmer zu führen. Josephine lag im Bett, erschöpft, aber lächelnd, ihre neugeborene Tochter in ihren Armen. Roses Herz schmolz dahin, als sie das zierliche Mädchen sah, das friedlich schlief, eine winzige Hand an ihrer Wange zur Faust geballt.
    »Willst du sie halten, Mom?«, fragte Josephine. Mit Tränen in den Augen nickte Rose. Sie trat neben ihre Tochter, die ihr das schlafende Kind reichte. Rose nahm das Baby in die Arme, erinnerte sich auf einmal, wie natürlich es sich anfühlte, etwas so Kleines zu halten, das ein Teil von einem selbst war, ein Teil von allem, was man liebte. Sie spürte, wie sie von dem Bedürfnis durchströmt wurde, dieses Baby zu beschützen, ebenso stark, wie es sie damals durchströmt hatte, als sie ihr eigenes Baby zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte.
    Rose sah hinunter auf ihre Enkelin, sah sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft. Als das Kind die Augen aufschlug, stöhnte Rose auf. Einen Augenblick lang hätte sie schwören können, etwas Weises und Uraltes in den Augen dieses Neugeborenen zu sehen. Und dann war es verschwunden, und Rose wusste, dass sie es sich nur eingebildet hatte. Sie wiegte das Baby sanft, und sie wusste, dass sie schon jetzt in dieses Mädchen verliebt war. Sie betete, sie möge stark genug sein, diesmal das Richtige zu tun. »Ich hoffe …«, murmelte Rose, aber ihre Stimme verlor sich, während sie das kleine Mädchen anstarrte. Sie wusste nicht, wie sie den Satz zu Ende führen sollte, denn sie wusste nicht, worauf sie hoffen sollte. Es gab eine Million Dinge, die sie sich für dieses Kind wünschte, eine Million Dinge, die sie selbst nie gehabt hatte. Sie hoffte auf alles für dieses Kind.
    »Schatz, hast du dich schon für einen Namen entschieden?«, fragte Ted. Als Rose aufsah, bemerkte sie, wie ihre Tochter sie seltsam anstarrte. Langsam breitete sich ein Lächeln über Josephines Gesicht aus.
    »Ja«, sagte Josephine. »Ich werde sie Hope nennen.«

20
    Bis Mittwochabend hat Annie über einhundert Nummern von ihrer Liste mit Levys angerufen und noch immer nicht eine Spur von Mamies Jacob Levy gefunden. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass wir hier vielleicht einem Geist nachjagen. Ich nehme mir ein Dutzend Namen von Annies Liste an der Westküste und rufe sie an, nachdem sie zu Bett gegangen ist, aber ich habe auch nicht mehr Glück als sie. Jeder, den ich erreiche, sagt, er hätte nie von einem Jacob Levy gehört, der Frankreich in den Vierziger- oder Fünfzigerjahren verlassen hat. Nicht einmal eine Online-Suche in den Passagierlisten von Ellis Island fördert irgendetwas zutage.
    Annie kommt am nächsten Morgen um kurz vor sechs in die Bäckerei, mit ernster Miene, während ich getrocknete Cranberrys, weiße Schokoladensplitter und gestiftelte Macadamianüsse in süße Teigtaschen falte.
    »Wir müssen noch mehr tun«, verkündet sie. Sie wirft ihren Rucksack auf den Boden, wo er mit einem dumpfen Aufschlag landet, bei dem ich mich einen Moment lang frage, welchen Schaden sie wohl ihrem Rücken zufügt, indem sie jeden Tag mehrere schwere Schulbücher mit sich herumschleppt.
    »Wegen Jacob Levy?«, tippe ich. Bevor sie antworten kann, füge ich hinzu: »Kannst du schon einmal anfangen, das aufgetaute Gebäck nach vorn zu bringen? Ich bin ein bisschen spät dran.«
    Sie nickt und geht an die Spüle, um sich die Hände zu waschen. »Ja, wegen Jacob«, sagt sie. Sie schüttelt kurz die Hände aus, trocknet sie an dem blauen Küchenhandtuch neben der Spüle ab und dreht sich um. »Wir müssen uns etwas überlegen, wie wir ihn leichter finden können.«
    Ich seufze. »Annie, du weißt doch, dass es gut möglich ist, dass wir ihn niemals finden werden.«
    Sie verdreht die Augen. »Du bist immer so negativ.«
    »Ich bin nur realistisch.« Ich sehe zu, wie sie beginnt, Halbmonde behutsam aus ihrem luftdichten Behälter zu nehmen. Sie wickelt jeden einzelnen aus dem Wachspapier und legt sie auf ein Vitrinentablett.
    »Ich glaube, wir müssen mehr Nachforschungen anstellen, wenn wir ihn finden wollen.«
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Nachforschungen?«, frage ich

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