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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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würde, aber so war es gewesen. Das wusste Rose jetzt.
    Und inzwischen war Rose selbst fünfzig. Sie hatte länger als ihre Eltern gelebt und fast doppelt so lange in den Vereinigten Staaten wie in Frankreich. Siebzehn Jahre in ihrem Geburtsland. Dreiunddreißig in ihrer Wahlheimat. Aber sie hatte schon vor langer Zeit aufgehört zu leben. Der Rest war wie ein Traum gewesen, und sie war wie in Trance durch ihn hindurchgegangen, hatte nur so getan, als ob sie lebte.
    An jenem Morgen zog sie sich an und ging zu Fuß zur Bäckerei. Der Frühling hatte zeitig Einzug gehalten, fiel ihr auf. Die Bäume grünten, und die Blumen überall am Cape standen bereits in voller Blüte. Der Himmel war klar und hellblau, die Art Himmel, die einen wunderschönen Tag ankündigte, und Rose wusste, dass bald die Touristen einfallen und das Geschäft mit der Bäckerei ankurbeln würden. Das waren Dinge, über die sie glücklich sein sollte.
    Vor der Bäckerei hielt sie einen Augenblick inne und sah durch die Scheibe auf ihre Tochter, die in diesem Moment ein Tablett mit Sterntörtchen in die Vitrine schob. Das Haar ihrer Tochter war dicht und dunkel, so wie das ihres Vaters, und ihr Bauch war rund und voll, genau wie es Roses Bauch vor so vielen Jahren gewesen war. In einem Monat würde Josephine auch Mutter sein. Sie würde verstehen, dass das eigene Kind das Wichtigste auf der Welt war und dass man dieses Kind um jeden Preis beschützen musste.
    Rose hatte es nie über sich gebracht, ihrer Tochter zu sagen, was passiert war. Josephine wusste nur, dass ihre Mutter Paris verlassen hatte, nachdem ihre Eltern gestorben waren, dass sie Ted geheiratet und sich schließlich hier am Cape Cod niedergelassen hatte. Tausendmal hatte Rose ihr die Wahrheit sagen wollen, aber dann hatte sie innegehalten und um sich geblickt auf das Leben, das sie hier hatte – ihre Bäckerei, ihr schönes Zuhause und vor allem ihren fürsorglichen Ehemann, der Josephine ein wundervoller Vater gewesen war. Und jedes Mal hatte sie sich gebremst, bevor sie das alles ruinierte. Sie hatte das Gefühl, in einem wunderschönen Gemälde zu leben und dass sie die Einzige war, die wusste, dass es nur eine hauchdünne Welt aus Pinselstrichen und Träumen war.
    Und so erzählte sie Josephine ihre ganze Kindheit über Märchen, Geschichten von Königreichen und Prinzen und Königinnen, um so die Vergangenheit lebendig zu halten, auch wenn Rose die Einzige war, die diese Vergangenheit kannte. Sie stellte sich vor, eines Tages auch Josephines Kind diese Geschichten zu erzählen, und das würde Rose trösten, denn das war ihre Art, in der Vergangenheit zu leben, ohne die Gegenwart zu zerstören. Sollten sie ruhig glauben, dass die Märchen die Fiktion waren und dass alles andere wirklich war. Es war besser so.
    Rose wollte eben die Bäckerei betreten, als sie auf einmal sah, wie ihre Tochter sich krümmte und ihren Bauch umklammerte, ihr schönes Gesicht, das dem ihres Vaters so ähnlich sah, auf einmal von Schmerz verzerrt. Rose platzte prompt zur Tür herein.
    »Darling, was ist los?«, fragte sie. Sie stürzte durch den Laden hinter die Theke und legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern.
    Josephine stöhnte auf. »Mom, es ist das Baby. Das Baby kommt.«
    Roses Augen weiteten sich vor Panik. »Aber es ist zu früh.« Josephines Geburtstermin war erst in einem Monat und drei Tagen.
    Josephine krümmte sich wieder vor Schmerzen. »Ich glaube, das weiß das Baby nicht. Es kommt jetzt, Mom.«
    Rose spürte eine vertraute, entsetzliche Panik in sich aufsteigen. Was, wenn mit dem Baby irgendetwas passieren sollte? »Ich rufe deinen Vater an«, sagte Rose. »Er wird kommen.« Rose wusste, dass sie ihre Tochter ins Krankenhaus bringen musste, aber sie hatte nie Auto fahren gelernt; es hatte nie einen Grund dafür gegeben. Sie wohnte nur ein paar Blocks von der Bäckerei entfernt, und sie musste selten irgendwo anders hin.
    »Sag ihm, er soll sich beeilen«, bat Josephine.
    Rose nickte, griff zum Telefon und wählte Teds Nummer. Sie berichtete ihm rasch und behutsam, was los war, und er versprach, die Schule sofort zu verlassen und binnen zehn Minuten da zu sein. »Sag ihr, dass ich sie liebe und es kaum erwarten kann, mein Enkelkind kennenzulernen«, sagte Ted, bevor er auflegte. Rose richtete die Nachricht nicht aus, obwohl sie sich nicht sicher war, warum.
    Während sie warteten, zog Rose für Josephine einen der Bäckereistühle heran, damit sie sich setzen konnte, und klappte

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