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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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stellen. »Ich gehe wieder ins Bett. Ich bin nur aufgestanden, um dir viel Glück zu wünschen«, sagt sie. An der Küchentür bleibt sie noch einmal stehen. »Mom?«
    »Ja, Schatz?«
    »Die Art, wie Mr Keyes dich ansieht …« Ihre Stimme verliert sich, und sie sieht zu Boden. »Ich denke, das ist vielleicht so, wie Jacob Levy früher Mamie angesehen hat.«
    Als Gavin mich um vier mit seinem Jeep Wrangler abholt, hat er einen Becher Kaffee von der Tankstelle für mich dabei.
    »Ich weiß, du bist es gewohnt, vor Sonnenaufgang aufzustehen«, sagt er, während er darauf wartet, dass ich mich anschnalle. Er reicht mir den Becher mit Kaffee und sagt: »Aber ich musste für einen Kaffee anhalten, denn in meiner Welt würde ich jetzt noch schlafen.«
    »Tut mir leid«, murmele ich.
    Er lacht. »Sei nicht albern. Ich freue mich, hier zu sein. Aber das Koffein hilft.«
    »Du musst nicht fahren, weißt du«, sage ich. »Wir könnten meinen Wagen nehmen.«
    »Nö«, sagt er. »Dieses Baby ist schon aufgetankt und startbereit. Ich fahre.« Er schweigt kurz und fügt dann hinzu: »Es sei denn, du willst unbedingt. Ich dachte nur, es ist leichter so. Dann kannst du mich dirigieren.«
    »Wenn du sicher bist, dass es dir nichts ausmacht.«
    Die erste halbe Stunde fahren wir schweigend, machen nur Smalltalk über die Route, die wir nach New York nehmen werden, und die Möglichkeit, dass wir kurz vor Manhattan in dichten Verkehr kommen könnten. Gavin gähnt und stellt das Radio lauter, als Bon Jovis »Livin’ on a Prayer« kommt.
    »Ich liebe diesen Song«, sagt er. Beim Refrain singt er so begeistert mit, dass ich kichern muss.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du dieses Lied kennst«, sage ich, als es zu Ende ist.
    Er wirft mir einen Blick zu. »Wer kennt ›Livin’ on a Prayer‹ denn nicht?«
    Ich spüre, wie ich rot werde. »Ich meine nur, du scheinst mir zu jung, um ihn zu kennen.«
    »Ich bin neunundzwanzig«, sagt Gavin. »Und das heißt, dass ich genauso lebendig war wie du, als dieser Song herausgekommen ist.«
    »Da warst du was, drei?«, frage ich. Ich war 1986 fast elf. Welten entfernt.
    »Ich war vier«, sagt Gavin. Er wirft mir einen Blick zu. »Warum benimmst du dich so seltsam?«
    Ich sehe auf meinen Schoß. »Es ist nur, du bist so jung. Viel jünger als sechsunddreißig.«
    Er zuckt mit den Schultern. »Na und?«
    »Findest du denn nicht, dass ich irgendwie alt bin?«, frage ich. Ich widerstehe dem Drang, für dich hinzuzufügen.
    »Ja, du müsstest eigentlich demnächst deinen Rentnerausweis mit der Post bekommen.« Gavin bemerkt, dass ich nicht lache. »Hör zu, Hope, ich weiß, wie alt du bist. Was spielt das denn für eine Rolle?«
    »Hast du nicht das Gefühl, dass wir aus zwei verschiedenen Welten sind?«
    Er zögert. »Hope, du kannst nicht dein Leben lang nach allen Regeln leben und immer nur das tun, was andere Leute von dir erwarten, ohne an dich selbst zu denken, okay? Dann wachst du nämlich eines Tages mit achtzig oder so auf und begreifst, dass das Leben an dir vorbeigegangen ist.«
    Ich frage mich, ob Mamie sich vielleicht so fühlt. Hatte sie bloß getan, was von ihr erwartet wurde? Hatte sie nur geheiratet und ein Kind bekommen, weil das damals der vorgeschriebene Weg für Frauen war? Hat sie es bereut?
    »Aber woher willst du das wissen?«, frage ich, während ich versuche, mein hämmerndes Herz zu beruhigen. »Ich meine, woher soll man wissen, nach welchen Regeln man leben soll und nach welchen nicht?«
    Gavin sieht mich von der Seite an. »Ich glaube, es sollte eigentlich gar keine Regeln geben. Ich glaube, man sollte von selbst darauf kommen, was richtig ist, aus seinen Erfahrungen lernen und versuchen, seine Fehler zu korrigieren, während man sein Leben lebt. Meinst du nicht?«
    »Ich weiß nicht«, sage ich leise. Vielleicht hat er recht. Aber wenn ja, dann hieße das, dass ich mein Leben all die Jahre falsch gelebt habe. Ich habe an jeder Wegkreuzung versucht, mich an die Regeln zu halten. Ich habe Rob geheiratet, weil ich von ihm schwanger war. Ich bin zurück nach Hause ans Cape gezogen, weil meine Mutter mich brauchte. Ich habe die Bäckerei übernommen, weil sie unser Familienunternehmen ist und ich sie nicht sterben lassen konnte. Ich habe meine eigenen Träume von einer Karriere als Anwältin begraben, weil ich sie nicht länger mit dem vereinbaren konnte, was von mir erwartet wurde.
    Und jetzt begreife ich allmählich, dass ich, indem ich mich immer für den sicheren Weg

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