Solange am Himmel Sterne stehen
Liebe«, sagt Jacob.
Mamie lächelt ihn an und starrt ihm in die Augen. »Für immer«, murmelt sie.
30
Um kurz nach drei Uhr morgens, nur wenige Stunden nachdem Annie, Alain, Gavin und ich sie mit Jacob allein gelassen haben, ist Mamie friedlich eingeschlafen.
Jacob saß die folgenden Stunden an Mamies Bett, und kurz nach Sonnenaufgang, als er vor der Tür der Bäckerei, die Mamie vor so vielen Jahren gegründet hat, aus einem Taxi stieg, schien er ein anderer Mann zu sein. Ich hatte erwartet, dass er traurig sein würde, geschlagen, da er siebzig Jahre lang gewartet hatte, nur um jetzt mit anzusehen, wie seine große Liebe dahinschied. Aber stattdessen glänzten seine Augen nur anders als an dem Tag, als wir ihn in New York zum ersten Mal gesehen hatten, und er schien zehn Jahre jünger zu sein.
Die Schwestern erzählten mir später, Jacob hätte noch bis spät in die Nacht mit Mamie gesprochen, und als sie schließlich kamen, um nach ihr zu sehen, und feststellten, dass sie gestorben war, hätte sie gelächelt, und Jacob hätte noch immer ihre Hand gehalten und ihr in einer Sprache zugeflüstert, die sie nicht verstanden.
Gavin rief seinen Rabbi an, der vorbeikam, um sich mit Jacob, Alain und mir zusammenzusetzen, und gemeinsam planten wir eine Beisetzung nach jüdischem Brauch. Jetzt begriff ich, dass Mamie immer jüdisch gewesen war; daran hatte sich nie etwas geändert. Vielleicht war sie, wie sie gesagt hatte, auch katholisch und muslimisch gewesen. Aber wenn man, wie Mamie mir einmal erklärt hatte, Gott überall finden konnte, dann erschien es uns am sinnvollsten, sie auf demselben Weg nach Hause zu schicken, auf dem sie einmal gekommen war.
Wir übernahmen es abwechselnd, bei Mamie zu sitzen – Gavin erklärte mir, dass man nach dem jüdischen Glauben einen Toten nicht allein lassen sollte –, und einen Tag später wurde sie in einem Holzsarg neben meiner Mutter und meinem Großvater beigesetzt. Ich hatte nicht gewusst, wie ich damit umgehen sollte, nachdem ich eben erst erfahren hatte, dass Mamies Ehe mit meinem Großvater durch ihre Heirat mit Jacob im Grunde für ungültig erklärt wurde. Aber Jacob hatte nur meine Hände in seine genommen und sanft gesagt: »Gott kümmert es nicht, wo jemand zur letzten Ruhe gebettet wird. Ich glaube, Rose hätte hier beerdigt werden wollen, wo sie ihr Leben lang gelebt hat, neben dem Mann, der ihr ein neues Leben geschenkt hat, und neben ihrer Tochter. Unserer Tochter.«
In den nächsten Tagen führte ich wie gewohnt die Bäckerei, aber mit dem Herzen war ich nicht dabei. Ich fühlte mich, als hätte sich ein großes Loch in meinem Leben aufgetan. Jetzt war ich auf mich allein gestellt, gegen die Welt: Ich selbst war verantwortlich für diese Bäckerei; verantwortlich für meine Tochter; verantwortlich dafür, eine Familientradition fortzuführen, die ich erst allmählich verstand.
Am sechsten Abend nach Mamies Tod unternimmt Alain mit Annie einen Spaziergang, und ich sitze mit Jacob am Kamin und höre zu, wie er stockend von den Jahren nach dem Krieg erzählt.
»Es tut mir so leid, Hope, dass ich nicht da war, um dich aufwachsen zu sehen«, sagt er und drückt meine Hände. Ich kann spüren, wie seine Hände zittern. »Ich würde alles geben, um dabei gewesen zu sein. Aber du bist eine gute Frau, eine anständige Frau. Du erinnerst mich so sehr an Rose, an die Frau, zu der sie, wie ich immer wusste, heranwachsen würde. Und du hast ebenfalls eine gute Tochter mit einem guten Herzen großgezogen.«
Ich danke ihm und starre ins Feuer, während ich überlege, wie ich ihm die Frage stellen soll, die mir keine Ruhe lässt, seit ich Jacob getroffen habe. »Was ist mit meinem Großvater?«, frage ich schließlich leise. »Was ist mit Ted?«
Jacob senkt den Kopf und sieht lange Zeit ins Feuer. »Dein Großvater muss ein wundervoller Mann gewesen sein«, sagt er schließlich. »Er hat eine gute Familie großgezogen, Hope. Ich wünschte, ich hätte die Chance bekommen, ihm dafür zu danken.«
»Das ist ihm gegenüber alles so unfair«, sage ich leise. »Es tut mir leid«, füge ich kurz darauf hinzu. »Ich wollte dich damit nicht kränken.«
»Natürlich nicht«, beeilt sich Jacob zu sagen. »Und du hast ja auch recht.« Er schweigt und starrt wieder lange Zeit ins Feuer. »Er wird immer dein Großvater bleiben, Hope. Das weiß ich. Ich weiß, dass du mich nie so lieben wirst, wie du ihn geliebt hast, denn ihn hast du von klein auf gekannt.«
Ich mache den Mund
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