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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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ein.
    »Ach, Barbara, nun sei doch nicht so hart zu dem Kind.« Sie gibt ihrer Freundin einen leichten Klaps auf den Arm und wendet sich dann an Annie: »Achte gar nicht auf sie. Sie vermisst es nur, dass sie jetzt, da sie pensioniert ist, keine Kinder mehr herumkommandieren kann.« Mrs Koontz will schon protestieren, aber Mrs Sullivan gibt ihr noch einen leichten Klaps und lächelt Annie an. »Hast du nicht gesagt, du hättest eine Frage an uns, Liebes?«
    Annie räuspert sich. »Äh, na ja«, sagt sie. »Ich meine, ja, Ma’am. Ich habe mich nur etwas gefragt …« Sie hält kurz inne, während die Frauen warten. »Na ja, Sie kannten doch meine Uroma, oder?«
    Die Frauen sehen sich an und dann zurück zu Annie. »Aber ja, natürlich«, antwortet Mrs Sullivan schließlich. »Wir kennen sie seit Jahren. Wie geht es ihr?«
    »Gut«, sagt Annie prompt. »Ich meine, nicht rundum gut. Sie hat ein paar – Probleme. Aber, ähm, hauptsächlich gut.« Ihr Gesicht glüht wieder. »Jedenfalls, ich habe mich nur gefragt, wissen Sie, ähm, zufällig, wer Leona ist?«
    Die Frauen tauschen wieder einen Blick. »Leona«, sagt Mrs Sullivan langsam. Sie grübelt einen Augenblick darüber nach und schüttelt dann den Kopf. »Ich glaube nicht. Der Name kommt mir nicht bekannt vor. Dir, Barbara?«
    Mrs Koontz schüttelt ebenfalls den Kopf. »Nein«, sagt sie. »Ich glaube nicht, dass wir eine Leona kennen. Warum?«
    Annie sieht zu Boden. »Es ist nur, sie nennt mich ständig so. Ich habe mich nur gefragt, na ja, wer sie ist.« Sie blickt eine Sekunde bestürzt, und dann murmelt sie: »Entschuldigung, dass ich ›na ja‹ gesagt habe.«
    Mrs Sullivan streckt eine Hand nach Annies aus und tätschelt sie. »Jetzt hast du es geschafft, dem Kind Angst zu machen, Barbara«, sagt sie.
    Mrs Koontz seufzt und sagt: »Ich versuche nur, ihre Grammatik zu korrigieren.«
    »Nun ja, jetzt ist weder der Ort noch die Zeit dafür«, entgegnet Mrs Sullivan. Sie zwinkert Annie zu. »Warum ist dir das denn so wichtig, Liebes? Die Frage, wer diese Leona ist?«
    »Meine Uroma scheint traurig zu sein«, antwortet Annie einen Augenblick später so leise, dass ich Mühe habe, sie zu verstehen. »Und ich weiß nicht sehr viel über sie, wissen Sie? Meine Uroma, meine ich. Ich will ihr gern helfen, aber ich weiß nicht, wie.«
    Dann kommen zwei Kunden herein, ein grauhaariger Mann und eine blonde junge Frau, die ich nicht kenne, und ich kann nicht hören, was Annie und die Frauen reden, während ich die beiden bediene. Die blonde Frau bestellt ein Stück Karottenkuchen, nachdem sie gefragt hat, ob wir irgendwelches Diätgebäck haben – haben wir nicht –, und ihr männlicher Begleiter, der ein paar Jahrzehnte zu alt aussieht, um ihre Hand zu drücken und sie aufs Ohr zu küssen, nimmt ein Eclair. Bis sie gegangen sind und ich wieder hinüber zu Annie schaue, sitzt sie bei den beiden alten Damen.
    Ich blicke auf meine Armbanduhr und überlege, ob ich Annie ermahnen soll, dass sie zu spät zur Schule kommen wird, wenn sie nicht in den nächsten paar Minuten geht, aber ihre Miene ist so ernst, dass ich eine Minute wie erstarrt bin und sie nur ansehe. Ich bin es gewohnt, dass sie in letzter Zeit jedes Mal spöttisch grinst und die Augen verdreht, wenn sie in meiner Nähe ist, aber in diesem Moment sieht sie einfach nur unschuldig und interessiert aus. Ich schlucke den Kloß im Hals hinunter.
    Ich gehe mit einem Wischlappen und einer Sprühflasche in den Essbereich, um das Gespräch zu belauschen, während ich so tue, als würde ich sauber machen. Die Frauen, höre ich bald heraus, erzählen Annie die Geschichte, wie Mamie nach Cape Cod gekommen ist.
    »Alle Mädchen in der Stadt waren damals in Ted, deinen Urgroßvater, verliebt«, sagt Mrs Koontz zu ihr. »Er war älter als wir.«
    »Vier Jahre«, gibt Mrs Sullivan ihr recht. »Er ging schon aufs College – Harvard, weißt du –, aber er kam alle paar Wochen zu Besuch nach Hause. Er hatte einen Wagen, einen schönen Wagen, was hier draußen damals viel hermachte. Und die Mädchen fielen fast in Ohnmacht.«
    »Er war so freundlich«, pflichtet Mrs Koontz ihr bei. »Und wie so viele andere ist er am Tag nach Pearl Harbor in die Armee eingetreten.«
    Die beiden Frauen halten gleichzeitig inne und sehen auf ihre Hände. Ich weiß, dass sie an andere junge Männer denken, die sie vor so langer Zeit verloren haben. Annie rutscht ein wenig auf ihrem Stuhl herum und fragt: »Und was ist dann passiert? Er hat meine

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