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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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sie morgens ist.«
    Alain kichert. »Ich glaube nicht, dass deine Mutter unfreundlich ist, Liebes«, sagt er. »Ich glaube, sie versucht nur, realistisch zu sein. Und vielleicht das Thema zu wechseln.«
    »Warum wechselst du das Thema, Mom?«, fragt Annie, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Weil ich nicht will, dass du deine Hoffnungen zu hoch hängst«, sage ich zu ihr. »Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Jacob Levy gar nicht mehr am Leben. Und selbst wenn, gibt es keine Garantie dafür, dass wir ihn finden werden.«
    Und es gibt auch keine Garantie dafür, dass er all die Jahre auf meine Großmutter gewartet hat. Ich will Annie nicht sagen, dass er, selbst wenn wir ihn wie durch ein Wunder ausfindig machen sollten, inzwischen vermutlich mit Ehefrau Nummer vier oder fünf verheiratet ist. Vermutlich hat er mit Mamie vor siebzig Jahren abgeschlossen. So sind die Männer. Außerdem habe ich den Eindruck, dass meine Großmutter auch keine Zeit verloren hat, mit ihm abzuschließen.
    Alain mustert mich eingehend, und ich wende den Blick ab, denn ich habe das unangenehme Gefühl, dass er meine Gedanken genau lesen kann. »Kann ich dir bei irgendwas helfen, Hope?«, fragt er kurz darauf. »Ich habe in der Bäckerei meiner Großeltern mitgeholfen, als ich ein kleiner Junge war.«
    Ich lächele. »Annie kann dir zeigen, wie man den Teig für die Blaubeermuffins macht«, sage ich. »Aber bitte fühle dich nicht verpflichtet zu helfen. Ich komme sehr gut allein zurecht.«
    »Das habe ich auch gar nicht bestritten«, sagt Alain. Ich ziehe eine Augenbraue vor ihm hoch, aber er hat sich bereits abgewandt, um sich von Annie eine Schürze umbinden zu lassen.
    »Aber, na ja, wenn Mamie wirklich so verliebt in Jacob war, wie kommt es dann, dass sie meinen Uropa geheiratet hat?«, fragt Annie Alain, als er sich wieder umdreht. Er schnappt sich eine Packung Zucker und die Schale mit saftigen Blaubeeren, die Annie aus dem Kühlschrank geholt hat. »Sie kann ihn doch nicht auch geliebt haben, oder?«, ergänzt Annie. »Nicht, wenn Jacob ihre eine wahre Liebe war.«
    Ich verdrehe die Augen, aber ehrlich gesagt, wünschte ich, ich könnte selbst auch noch an das Ideal der einen wahren Liebe glauben. Alain scheint über Annies Frage nachzudenken, während er sich eine große Schüssel und einen Holzlöffel nimmt und Zucker und Mehl zu vermischen beginnt. Ich sehe zu, wie er Salz und Backpulver abmisst und dazugibt. Annie reicht ihm vier Eier, und er macht sich daran, sie aufzuschlagen.
    »Es gibt alle möglichen Arten von Liebe auf dieser Welt, Annie«, sagt er schließlich. Er sieht mich an und dann wieder zurück zu meiner Tochter. »Ich habe keinen Zweifel, dass deine Urgroßmutter deinen Urgroßvater auch geliebt hat.«
    Annie starrt ihn an. »Was meinst du damit? Wenn Mamie in Jacob verliebt war, wie konnte sie dann, na ja, auch in meinen Uropa verliebt sein?«
    Alain zuckt die Schultern und gibt etwas Milch und saure Sahne in die Schüssel. Er rührt die Masse kräftig mit dem Holzlöffel um, und dann hilft Annie ihm, die Blaubeeren unterzuheben. »Manche Arten von Liebe sind eben stärker als andere«, erwidert Alain schließlich. »Das heißt ja nicht, dass nicht alle echt sind. Nur manche Arten von Liebe sind so, dass wir immer versuchen, sie passend zu machen, obwohl sie nie richtig sind.« Er sieht mich an, und ich wende den Blick ab.
    »Und dann gibt es noch die Liebe zwischen guten Menschen, die die Seele des anderen bewundern und sich im Laufe der Zeit lieben lernen«, fährt er fort.
    »Du meinst, so ist es bei Mamie und meinem Uropa gewesen?«, fragt Annie.
    Alain beginnt behutsam, Muffinformen mit Papiertütchen auszukleiden. »Vielleicht«, sagt er. »Ich weiß es nicht. Und dann, Annie, gibt es auch noch die Art Liebe, zu der wir alle die Chance haben, bei der aber nur wenige von uns weise genug sind, um sie zu erkennen, oder mutig genug, um sie beim Schopf zu packen. Das ist die Art Liebe, die ein ganzes Leben verändern kann.«
    »Und auf diese Art haben Jacob und Mamie sich geliebt?«, fragt Annie.
    »Ich glaube schon«, erwidert Alain.
    »Aber was meinst du damit, man muss weise genug sein, um sie zu erkennen?«, fragt Annie.
    Alain sieht wieder zu mir, und ich tue so, als wäre ich damit beschäftigt, Sterntörtchen auf ein Blech zu legen. Meine Finger zittern leicht, während ich die Gitterkrusten zu Sternen forme.
    »Ich meine, dass wir überall von Liebe umgeben sind«, sagt Alain. »Aber je älter wir werden,

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