Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
das Schlafzimmer und knallt die Türe hinter sich zu. Meine Haare sind völlig durcheinander, meine Kleider vom Leib gerissen und der Höhepunkt von eben hat seine Spuren hinterlassen. Ich muss mich duschen, muss mich frei machen und muss herausfinden, mit wem Sarah am Dienstagabend unterwegs war und wohin sie gegangen sind.
Duschen ist wie Balsam für die Seele. Sarah ist noch immer nicht aus dem Schlafzimmer gekommen. Ihre Handtasche hängt über dem Stuhl und als ich hineinschaue, prüfe ich, ob es Hinweise gibt, wo sich Sarah am Dienstagabend aufgehalten hat. Deo, Lipgloss, Massageöl. Massageöl? Irgendwo muss doch ein Hinweis zu finden sein, eine Notiz oder so ähnlich. Hier ist ein abgerissener Zettel, mal sehen:
„Wenn der Vogel kräht und der Hahn piepst, und du diese Worte liest, dann solltest du schlafen gehen und dich nach dem Morgen sehnen.“ Was soll das denn? Ich suche weiter –ein Stift, noch mal ein Stift, viele Tampons und ein Taschentuch, auf dem sie ein lachendes und ein weinendes Auge gemalt hat. So kenne ich Sarah gar nicht. So wie es aussieht, ist ihr Terminkalender nicht hier. Leise öffne ich die Schlafzimmertüre. Sie schläft und hat das Dämmerlicht noch an. Auf Zehenspitzen schleiche ich mich an ihren Nachttischschrank. Vorsichtig öffne ich die erste Schublade. Außer vielen bunt bemalten Herzen sehe ich nichts. Was macht sie bloß mit all diesen Herzen? Ich öffne die zweite Schublade. Sie enthält einen Stapel aus Büchern. Gerade, als ich den Stapel vorsichtig herausziehen möchte, so als würde es sich um eine geladene Pistole handeln, sehe ich an oberster Stelle ihren Terminkalender. Alle Bücher, außer dem Kalender, lege ich wieder behutsam in die Schublade und als ich sie schließe, wacht Sarah auf. Noch benommen von ihrem Schlaf, schaut sie mich halb wach an.
„Was willst du denn hier?“ fragt sie.
Mit dem Terminkalender hinter meinem Rücken schaue ich sie mit großen Augen an.
„Ich wollte …“ und dann bleiben mir die Worte weg.
Jetzt setzt sie sich aufrecht hin und schaut mich mit klaren Augen an.
„Noah, sag schon, was ist los?“
Als ich den Lichtschalter sehe, drücke ich sofort drauf. Alles ist dunkel.
„Noah, geht es dir gut?“
„Ja, ich sah dich schlafen und wollte das Licht ausschalten.“
„Noah?“, höre ich sie von Weitem sagen, als ich bereits die Schlafzimmertüre hinter mir geschlossen habe.
Kapitel 9
Ich öffne meine Augen und stelle fest, dass ich gut geschlafen habe, trotz des gestrigen Abends. Diese ganze Szenerie läuft gerade noch mal in meinem Innern ab. Kopfschüttelnd starre ich an die Decke und frage mich, warum gerade mich diese Frau ausgesucht hat. Zum Glück hängt das Bild von Venedig in meinem Zimmer und bringt mich auf andere Gedanken. Wusste ich’s doch, dieses Bild wird mich immer wieder retten. Mittlerweile ist es 10:33 Uhr. Ich muss mich beeilen, denn die Galerie erwartet mich, außerdem muss ich mit der verschmutzten Bluse zur Reinigung und heute Mittag findet die Schlüsselübergabe statt.
Es ist 15:05 Uhr. Ich stehe vor verschlossenen Türen und Herr Hillings ist noch immer nicht hier. Da kommt plötzlich ein schwarzer Sportwagen angerast. Der Fahrer fährt sehr zügig, wie es aussieht, und scheint nicht viel Zeit zu haben.
„Hallo, Sie sind bestimmt Frau Aurelius“, sagt er in knappen Worten, nachdem er aus dem Wagen ausgestiegen ist.
„Ja, die bin ich und Sie müssen Herr Hillings sein.“
„Nein, das bin ich nicht. Ich bin Herr Katner höchstpersönlich. Diese Ehre hat nicht jeder, aber Herr Hillings war es wichtig, dass ich dieses Tauschgeschäft erledige.“
„Tauschgeschäft?“, frage ich verwundert.
Und als ich mir ihn so ansehe, bin ich irgendwie froh, dass er nicht Herr Hillings ist. Das Äußere und dieser ganze Auftritt passen gar nicht zu dem Mann am Telefon.
„Ja, Tauschgeschäft. Sie bekommen den Schlüssel, ich bekomme ein schönes Foto von Ihnen.“
Ich schaue ihn an und muss ein wenig schmunzeln. Er versucht mit mir zu flirten. Merkt er nicht, dass er überhaupt nicht mein Typ ist? „Ach ja, das Foto. Sie meinen eine Ausweiskopie.“
„Wie Sie es nennen möchten“, entgegnet er mir.
Okay, ich bin leicht irritiert über seine Anmachversuche. Wieso musste dieser Kerl kommen statt der Mann am Telefon?
„Hier ist Ihr Schlüssel, Frau Aurelius“, sagt er und blickt mir dabei tief in die Augen. Er widert mich an und das werde ich ihm jetzt auch zu verstehen geben:
„Hören
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