Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
Bluse endlich abgeschlossen ist. Ach ja, und die Bauarbeiter werden bestimmt morgen wieder an meiner Haustüre klingeln und dann lasse ich sie herein. Herr Hillings hat sicherlich deshalb angerufen.
„Wann kann ich die Bluse wieder abholen?“
„In zwei bis drei Tagen. Wir werden Sie benachrichtigen.“
„In Ordnung. Auf Wiedersehen.“
Ein Glück, dass es eine Reinigung gibt. Diesen Flecken hätte ich niemals herausbekommen. In meiner Hand betrachte ich die Nummer, die ich bekommen habe und unter der ich die Bluse wieder abholen kann, und schlendere langsam dem Ausgang entgegen. Kurz bevor die Türe aufgeht und ich wieder nach vorne blicke, bleibt mir fast das Herz stehen. Das gibt es nicht, es ist der Mann, den ich seit Wochen suche. Er räumt ein paar Tüten aus dem Kofferraum und so wie es aussieht, möchte er in die Reinigung. Was mache ich jetzt bloß? Wegrennen? Aber wohin? Mein Herz schlägt tausend Sprünge und am liebsten würde ich schreien und zu ihm rennen. Jetzt macht er den Kofferraum zu, nimmt die Taschen zu sich und kommt geradewegs auf mich zu. Wie versteinert stehe ich vor der Türe. Er sieht mich noch nicht, da er auf den Boden schaut, während er geht. Er macht einen traurigen Eindruck. Meine Hände beginnen zu zittern und dabei rutscht mir der Zettel mit der Nummer aus meiner Hand. Gleich geht die Türe auf und ich springe mit einem Satz nach links hinter ein Regal. Jetzt sitze ich auf dem Boden und luge hinter diesem Regal hervor. Wie unglaublich gut er aussieht. Er spricht mit der Dame an der Kasse und möchte seine Anzüge reinigen lassen. Seine Stimme bringt mich in Wallungen. Dieses Kribbeln halte ich kaum aus. Es macht mich wahnsinnig zu wissen, dass er zum Greifen nahe ist und ich mich vor ihm verstecke. Warum tue ich das eigentlich? Ich könnte jetzt hervorkommen und so tun, als würden wir uns ganz spontan zum dritten Mal begegnen. Es wäre doch ganz normal. Aber ich würde zitternd vor ihm stehen, wahrscheinlich kein Wort herausbekommen und außerdem weiß ich nun, dass auch er so fühlt. Ich kann das nicht, denn sofort muss ich wieder an seine Frau denken. Ich möchte diese Ehe nicht zerstören. Er bekommt ebenfalls ein paar Zettel jeweils mit Nummern darauf. Als er sich verabschiedet, beginnen meine Gedanken zu kreisen, als ich höre, wie die Frau „Auf Wiedersehen, Herr Hillings“ ruft.
Herr Hillings? Ich bin platt. Meine Welt steht gerade Kopf und ich verstehe nichts mehr. Als er kurz vor der Türe ist, um sie zu öffnen, bleibt er stehen. Oh nein, hat er mich vielleicht gesehen? Er starrt auf den Boden und hebt etwas auf, betrachtet es, und steckt es in sein Jackett. Er wird doch nicht? Wo ist mein Zettel?
„Entschuldigen Sie? Suchen Sie etwas Bestimmtes hier auf dem Boden?“, fragt ein Mitarbeiter und steht verwundert hinter mir. Herr Hillings sieht mich nicht, schaut aber zu dem Mitarbeiter der mich das gerade gefragt hat. Ich schaue ihn verzweifelt an und gebe ihm wortlos mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich etwas suche.
„Okay, wenn ich Ihnen helfen kann, lassen Sie es mich wissen“, sagt der Mitarbeiter in einem ungläubigen Tonfall. Er und Herr Hillings schauen sich gegenseitig fragend an und dann verabschiedet sich Herr Hillings, geht endlich aus der Türe und verschwindet in seinem Auto. Ich robbe ein wenig nach vorne, um aus dem Fenster schauen zu können, bleibe aber immer noch gebückt.
„Und jetzt suchen Sie hier am Fenster weiter?“, fragt mich der Mitarbeiter wieder.
„Ja, meine Kontaktlinse“, gebe ich zur Antwort und schaue dem Auto nach, bis es verschwunden ist. Danach richte ich mich auf und verabschiede mich von dem ungeduldigen, verwirrten Mitarbeiter. Jetzt scheint er noch mehr verdutzt zu sein, da es so aussieht, als könne ich plötzlich wieder alles ohne Kontaktlinse sehen. Endlich bin auch ich wieder draußen und setze mich erst einmal auf einen Stein neben dem Parkplatz. Was war das? Meine Nummer, unter der ich die Bluse abholen soll, habe ich nicht mehr und jetzt musste ich gerade erfahren, dass es sich bei diesem Mann um Herrn Hillings handelt. Ich habe das Gefühl, als würde sich eine ganze Welt in Luft auflösen und ich kann sie nicht mehr fassen. Wie kann man sich die ganze Zeit über so nah gewesen sein und sich nicht erreicht haben?
Endlich zu Hause angekommen, setze ich mich erst einmal auf die Couch, das Einzige, was schon seinen Platz in der Wohnung gefunden hat. Weit und breit stehen Möbel zerstreut herum und
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