Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
Tisch. Bis heute Abend.“ Ja, bis heute Abend, und natürlich ist alles wie immer. War es in den letzten Jahren überhaupt schon einmal anders? Außer, dass sich meine Falten im Gesicht verändert haben, ist alles gleich. Zähneputzen, rasieren, Rasierwasser auftragen, ein wenig Parfüm, Anzugshose und Hemd anziehen. Ach ja, die Manschettenknöpfe sind nicht zu vergessen und dann noch die Krawatte – wie sie mich nervt. Am Schluss meine Haare zurechtmachen und mich für einige Sekunden im Spiegel betrachten. Ich sehe aus wie immer. Alles ist gleich. Sogar die Brötchen, die Sarah jeden Morgen auf meinen Platz stellt. Eigentlich könnte mein Leben nicht besser sein. Habe ich es mir nicht immer so gewünscht? Ich führe eine beständige Ehe und habe einen gutbezahlten Job. Gut, meine Arbeitszeiten sind nicht gerade optimal für eine harmonische Ehe, denn als Manager kann es an manchen Tagen schon mal länger werden. Meine Frau kommt damit klar, solange sie morgens, wie gewohnt, die Brötchen auf den Tisch stellen kann und ich sie mit einem Lächeln begrüße. Das Piepen von meinem Handy reißt mich aus meinen Gedanken, als ich gerade dabei bin, Marmelade auf das Brötchen zu streichen.
„Katner, was willst du?“, frage ich, während er mich an unser bevorstehendes Meeting erinnert.
„Oh nein, das habe ich ganz vergessen. Bin sofort da.“
Ich werfe einen Blick auf mein Marmeladenbrötchen, und kurz bevor ich einen Bissen nehme, entscheide ich kurzerhand, es doch sein zu lassen. Meine Aktentasche steht wie immer ordnungsgemäß an ihrem Platz. Sarah würde nie vergessen, kurz bevor sie ins Bett geht, alles an den richtigen Platz zu stellen. Ich muss quasi an nichts mehr denken, außer, dass ich nichts vergesse mitzunehmen. Meine Geldbörse, meine Schlüssel und mein Jackett. Ich bin startbereit und als ich die Wohnungstür hinter mir abschließe und mein Auto aus der Garage holen möchte, sehe ich, wie Sarah es für mich auf den Hof gefahren hat. Alles vorbereitet. Heute scheint sie sogar noch genauer zu sein als sonst. Die Sonne scheint und ich beschließe, das Dach des Autos auszufahren, um die Natur im Cabrio zu erleben. Eine Sonnenbrille wäre jetzt nicht schlecht, weshalb ich beiläufig im Handschuhfach nachschaue. Ich weiß nicht, ob ich überrascht bin oder eher meine Erwartung eingetroffen ist, als ich dort, selbstverständlich, eine Brille finde. Wie kommt es, dass Sarah an alles denkt? Liebe ich sie? Oder muss ich sie lieben? Die Uhranzeige im Auto leuchtet. Es ist 7:43 Uhr. Ich habe noch 15 Minuten. Die Autoschlange vor mir, scheint immer langsamer zu werden. Zu Fuß wäre ich sicherlich schneller. Ich merke, wie mich unvorhersehbare Schwierigkeiten immer aus der Bahn werfen, zu sehr bin ich es mittlerweile gewohnt, dass alles glatt läuft. Während im Radio ein Song läuft, der mich an frühere Zeiten zwischen mir und Sarah erinnern lässt, tauche ich in kurze, tiefe Sehnsüchte ein. Als wir uns kennenlernten, schien die ganze Welt uns zu gehören. Jeden Moment, den wir gemeinsam hatten, kosteten wir aus. Ich konnte ihr nicht genug in die Augen schauen und ihr sagen, wie sehr ich sie liebe. Sarah machte damals eine Ausbildung zur Krankenschwester und früh zeigte sich, dass sie den richtigen Beruf gewählt hatte. Sie liebte es, für andere Menschen da zu sein, opferte sich gerne auf und umsorgte gerne alles und jeden, der um sie herum war. So wie auch mich. Gerne bekochte sie mich mit immer ausgefalleneren Kochideen. Es machte mir unglaublich viel Spaß, in ihre Welt hinabzutauchen. Unser Sexleben war aufregend, kribbelnd und ich entdeckte sie ständig neu. Nach zwei Jahren beschlossen wir, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Das Heiraten funktionierte, doch wollte es mit dem Kinderkriegen noch nicht klappen. Anfangs dachte Sarah, dass es sicherlich an der Heirat läge. Die Aufregung und der Stress hätten sie bestimmt aus der Bahn gebracht. Es war kein Problem, denn wir hatten ja alle Zeit der Welt. Mittlerweile sind wir seit über zehn Jahren verheiratet. Kinder haben wir immer noch keine. Nach vielen Jahren des Versuchens und nach einigen gescheiterten künstlichen Befruchtungen haben wir schließlich dieses Thema zur Seite gelegt. Ich komme damit klar, Sarah, so, wie sie sagt, auch. Doch dem Ausdruck in ihren Augen zufolge glaube ich ihr nicht. Auf dieses Thema darf sie niemand ansprechen. Auch ich nicht. Unausgesprochen führen wir nun seit einigen Jahren eine versteinerte Ehe, selbst wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher