Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
Frauen, die so aussehen wie sie, und dann rieche ich ihren Duft an einem Halstuch einer völlig fremden Frau.
„Was machst du da?“, fragt mich Alfredo, als er zur Türe hereinkommt und ich noch immer das Halstuch in den Händen halte.
„Oh, Entschuldigung“, sage ich verlegen und hänge das Halstuch sofort wieder über die Stuhllehne. Alfredo schaut mich sehr skeptisch an. Ich hoffe, jetzt sein Vertrauen nicht verloren zu haben.
„Lea konnte leider nicht mitkommen, aber vielleicht kannst du mir dabei helfen, die restlichen Möbel in den Bus zu tragen?“ Als ich den Namen „Lea“ höre, wird mir schwindelig. Ich glaube alles nur zu träumen.
„Was hast du gesagt? Lea?“
„Ja, Ariel eben. Also hilfst du mir?“
„Ja, aber natürlich.“
Als ich ihm helfe, die Möbel nach unten zu bringen, muss ich darüber nachdenken, wie ich mir soeben einbildete, den Namen Lea zu hören. Allmählich bekomme ich Angst vor mir selber. Was ist nur los mit mir? So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich sehe und höre Dinge, die nicht real sind. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragt mich Alfredo.
„Ja, natürlich.“
„Du siehst irgendwie so blass aus.“
„Vielleicht die Hektik. Alles ist neu für mich. Ich glaube, es liegt daran.“
„Das kann schon sein. Wir laden dich ein, Noah. Sobald wir alles in der neuen Wohnung haben, kommen meine ganze Familie, viele Freunde und Bekannte und, nun ja, du bist auch herzlich eingeladen.“
„Vielen Dank, Alfredo. Ich werde gerne kommen.“
Endlich bin ich in meiner eigenen Wohnung. Es dauerte sehr lange, bis es so weit war. In Deutschland kam ich nicht dazu, die Wohnung, die ich ursprünglich gemietet hatte, zu beziehen. Ich musste erst nach Venedig reisen, um endlich meine Ruhe von allem zu haben. Kein von Sarah gedeckter Frühstückstisch, keine täglichen Heulattacken von Sarah, kein morgendliches Herumzetern von Katner und keine hoffnungslose Suche nach Lea. Jetzt bin ich frei und liege auf einer ausziehbaren Couch, die ich mir heute Mittag angeschafft habe. Wieder hole ich das blaue Formular mit dem Katner-Company-Logo heraus. Immer noch ist es mir ein Rätsel, warum dieses Formular in Alfredos Wohnung war. Das halte ich zumindest in den Händen, somit kann ich mir das nicht einbilden. Belustigt über dieses mysteriöse Rätsel lege ich das Formular auf den Boden, neben meinem Koffer, und döse gleich danach ein.
Kapitel 15
Gerade sind wir dabei, eine größere Wohnung für uns beide zu besichtigen. Es ist eine 3-Zimmer-Wohnung, die auf den ersten Blick einen geräumigen Eindruck macht.
„Meinst du, wir kommen uns in die Quere, Alfredo?“
„Wo denkst du hin, meine Liebste? Das ist doch gut, wenn wir uns in die Quere kommen …“, wirft Alfredo amüsiert in den Raum.
Nun bin ich in letzter Zeit so oft hin und her gezogen, und auf diesen Versuch kommt es auch nicht mehr an. Alfredos Handy klingelt und er muss dringend rangehen. Dabei fällt mir auf, dass er Deutsch spricht. Bestimmt ist es dieser Bekannte, dieser Heiling, wie er ihn nennt. Wenn er aus Deutschland kommt, dann ist es sicher interessant, wenn wir ihn einmal gemeinsam besuchen. Vielleicht wird er froh sein, wenn er etwas Unterhaltung hat.
„Das war Hilling. Mit der Wohnung klappt es so weit und …“
„Wie bitte?“, frage ich irritiert, als ich den Namen Hilling höre. „Was hast du gesagt? Hillings?“
„Ja … Nein, Heiling heißt er, glaube ich. Wieso denn?“
Für einen Moment ist mir beinahe das Herz stehengeblieben. Mittlerweile bilde ich mir schon ein, seinen Namen zu hören. Genauso, wie auf mysteriöse Weise dieses blaue Formular verschwunden ist. Was ist bloß los mit mir? Ich muss von diesem Mann loskommen.
„Ich dachte, du hättest einen Namen erwähnt, den ich von irgendwoher kenne“, sage ich, fast schon etwas gleichgültig. Alfredo schaut mir kurz tief in die Augen, so als wolle er ergründen, ob ich die Wahrheit sage. Zum Glück kann ich meine Gefühle gut überspielen.
Heute möchte ich Alfredo in der Universität, an der er Medizin studiert, besuchen und nehme deshalb den Bus. Dabei werde ich einige Orte in Venedig betrachten können, unter anderem den Markusdom in der Basilica di San Marco, die eine der größten Touristenattraktionen ist. Irgendwann möchte ich die Basilica von innen sehen, doch für heute muss es genügen, sie von außen zu betrachten. Es ist faszinierend, so viele Menschen auf einem Haufen zu sehen. Und die vielen Tauben, von denen es noch
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