Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
mehr gibt, als Menschen auf diesem Platz. Der Bus hält und muss an einer roten Ampel warten. Als er wieder langsam losfährt, kann ich mir die Menschen noch etwas näher betrachten. Dabei fällt mir ein Mann auf, der geradewegs zu mir in den Bus schaut. Ich bin völlig aus der Fassung, weil ich glaube, ich sehe ein Gespenst. Ein Gespenst, dessen Gesicht dem von Noah sehr ähnelt. Unmöglich und völlig absurd. Nun fahren wir langsam weiter. Lea, Lea, Lea … Du kannst nicht das Gesicht von Noah gesehen haben. Er ist weit weg und hat kein Interesse an dir, versuche ich mir ständig einzureden. Noch ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen, aber dann ist er endgültig aus meinem Gedächtnis verbannt. In Venedig wird mein Leben neu geboren, und zwar mit einem Mann an meiner Seite, der mich wirklich liebt. Ich werde mein Bestes geben, auch ihn irgendwann so lieben zu können, wie ich Noah liebe.
„Lea, es hat mich wirklich gefreut, als du mich heute besucht hast.“
„Das freut mich“, antworte ich Alfredo, als wir es uns auf dem Bett in meinem Appartement gemütlich machen. Gerade als ich heute Mittag die Universität betrat, sah ich ihn an einem Tisch in einem Aufenthaltsraum sitzen und fleißig lernen. Er wird bestimmt ein guter Arzt werden, denn er scheint sehr pflichtbewusst zu sein.
„Ich bin stolz auf dich, Alfredo.“
„Oh, vielen Dank. Aber worauf bist du stolz?“, fragt er.
„Darauf, was du studierst und mit welchem Ehrgeiz du das tust.“
„Das freut mich, dass dir das gefällt. Weißt du, ich möchte doch für unsere Familie sorgen können.“
„Unsere Familie?“
„Ja, für dich und unsere Kinder später einmal. Aber selbst wenn wir keine Kinder haben sollten, dann sorge ich eben für unsere ganz kleine Familie – für uns zwei.“
Er ist einfach ein Traummann. Wieso stehen die Traummänner immer bei mir Schlange? Und wieso renne ich aber den Idioten nach?
„Meinst du, ich verdiene zu wenig Geld mit meiner Kunst?“, frage ich neckisch.
„Mein Schatz, egal wie viel du verdienst, ein Mann muss für die Familie sorgen können.“
„Wenn du meinst“, sage ich und muss heimlich lächeln. „Heiling möchte die Wohnung übrigens haben. Das heißt, es steht uns nichts mehr im Wege, die 3-Zimmer-Wohnung zu nehmen.“
„Gut, wann geht es los?“ frage ich.
„Theoretisch morgen schon. Ich werde morgen zu Heiling fahren und ihm sagen, dass er sofort einziehen kann.“
„Vielleicht kann ich dir morgen bei dem Umzug helfen. Ob ich Zeit haben werde, weiß ich allerdings noch nicht, denn ich möchte mich in verschiedenen Galerien kundig machen, ob sie Interesse an meinen Gemälden haben.“
„Schön, Lea. Falls es morgen nicht klappt, wird mir Heiling sicherlich helfen.“
„Wie lautet denn sein Vorname?“
„Er hat einen komischen französischen Namen: Noir. Komisch, oder? Soviel ich weiß, heißt ‚Noir‘ Schwarz.“
„Er heißt ‚Noir‘? Wirklich seltsam“, sage ich und amüsiere mich sehr. Jetzt bemerke ich, dass der Name so ähnlich wie Noah klingt. Und auch der Nachname, Heiling, ähnelt dem von Noah sehr. Noah Hillings – Noir Heiling. Wirklich verrückt, wie das Leben manchmal spielt. „Diesen Noir Heiling muss ich wirklich mal treffen“, sage ich Alfredo, der mir zulächelt.
„Überraschung“, sagt Alfredo und verdeckt mir mit seinen Händen die Augen, als ich gerade an einem weiteren Gemälde arbeite.
„Alfredo, das ist wirklich eine Überraschung.“
„Es hat alles geklappt, mein Schatz.“
„Wie meinst du?“, frage ich.
„Mit der Wohnung. Noir nimmt sie und ist sogar schon eingezogen. Er hat mir geholfen, noch ein paar Möbel in den Bustransporter zu laden und in die neue Wohnung zu bringen.“
„Das freut mich Alfredo. Und entschuldige, dass ich heute nicht helfen konnte. Stell dir vor, ich war in der ‚Galleria d’Arte Moderna‘ und sie werden sich Zeit dafür nehmen, meine Gemälde näher in Augenschein zu nehmen. Ist das nicht toll?“
„Das ist fantastisch, Lea Ariel. Und dass du heute nicht mithelfen konntest, ist kein Problem. Lea, meine Frau muss nicht schuften.“
„Du bist süß, Alfredo.“
„Morgen können wir einziehen.“
„Was, morgen schon? Wow, das ging wirklich rasant.“
„Und wann heiraten wir?“
Als er mich das fragt, muss ich lachen und traue mich nicht darauf zu antworten.
„Du willst nicht antworten?“
In diesem Moment frage ich mich, was ich sagen soll. Auf der einen Seite ist Alfredo ein toller Mensch
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