Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
Hause ist.
„Gustav“, sage ich völlig perplex.
„Du?“
„Noah, schön dich zu sehen“, sagt er in schwedischem Akzent. Von klein auf kenne ich ihn und er hat an meiner Seite Deutsch gelernt, als ich mit sechs Jahren bei Alva aufgewachsen bin. All die Jahre hat er darauf bestanden, dass ich mit ihm deutsch spreche, denn er wollte diese Sprache lernen, und wie ich sehe, spricht er sie immer noch ganz gut.
„Du hast diese Sprache nicht verlernt“, sage ich und bin immer noch völlig außer mir, Gustav zu sehen.
„Alva hat mit mir ständig geübt“, sagt er. Ich habe Schwedisch in der Schule und von Alva gelernt, wobei ich bei ihr immer beide Sprachen anwenden musste, denn es lag ihr viel daran, dass ich mit meinem Deutsch nicht aus der Übung komme. Und dann fragt mich Gustav: „Bist du noch eine Weile hier?“.
„Ich weiß nicht. Vielleicht noch ein paar Tage.“
„Wenn du möchtest und eine Woche Zeit hast, dann komm doch mit auf die See. Was hältst du davon? So wie früher.“
Als mir Gustav diese Frage stellt, fühle ich mich für einen Moment in die Vergangenheit zurückversetzt. Damals hat er mich oft mit auf die See genommen. Eine Woche, hat er gesagt. Vielleicht ist das ganz gut, damit ich auf andere Gedanken komme, und vielleicht bin ich dann in der Lage, Lea anzurufen und sie sogar zu sehen.
„Ich komme mit“, sage ich ihm kurzentschlossen. Gustav freut sich übermäßig, und schon morgen früh soll es losgehen.
Bis nach Halmstad dauerte es gerade mal zwanzig Minuten. Gustavs Fischkutter ist startbereit und Gustav verspricht sich einen guten Fischfang. Wie früher bin ich mit Rucksack und Regenequipment ausgerüstet. Ich bin sogar genauso aufgeregt wie damals. Natürlich habe ich Leas Nummer in meiner Tasche. Zuerst wollte ich die Nummer bei Alva zu Hause lassen, damit ich erst gar nicht in Versuchung komme, sie anzurufen, aber in letzter Sekunde habe ich es mir doch anders überlegt und sie mitgenommen. Ich werde sie zwar nicht anrufen, aber wenigstens habe ich irgendetwas von ihr dabei. Meine Gefühle für Lea haben sich verbessert und die große Enttäuschung hat nachgelassen. Jetzt freue ich mich sogar, dass sie hier war, und kann es irgendwie kaum aushalten, sie bald zu sehen. Was für ein Glück, dass die Seefahrt dazwischengekommen ist, denn sie soll warten, so wie ich es auch musste.
„Es kann losgehen, Noah“, ruft Gustav und wir setzen die Segel zum Start.
Wie ich das Treiben im Wasser sowie die Luft, die ganz besonders und nach Meer riecht, vermisst habe. Hier draußen ist man frei – frei von allem und jedem. Wir wollen ein paar Tage hier draußen bleiben und erst die letzten beiden Tage werden wir fischen. Deshalb nehmen wir eine größere Route und steuern auf die Nordsee zu. Abends sind wir in unsere Kajüte und erzählen uns, was wir in den letzten Jahren erlebt haben. Ich erzähle ihm von meiner Geschichte mit Lea und meiner Trennung von Sarah. Gustav erzählt mir, dass er vor einigen Jahren eine Frau kennengelernt hat, der er ihr Herz geschenkt hat und die vor einem Jahr mit seinem besten Freund durchgebrannt ist. Das hört sich beinahe noch schlimmer an als meine Geschichte. Jetzt verbringt er den größten Teil seiner Zeit draußen auf dem Meer. Nach einem Krabbensalat und leckerem Polarbröd lassen wir die Nacht einkehren und legen uns schlafen.
Von den Lauten vieler Möwen und dem wilden Hin- und Herschaukeln werde ich aus meinen Träumen geweckt. Sofort greife ich zu Leas Nummer und betrachte sie, wie schon in den letzten Tagen, ununterbrochen. Gedulde dich noch ein wenig Lea. Bald melde ich mich. In Gedanken bin ich sowieso immer bei ihr und mit jedem Tag, der vergeht, lächelt mein Herz mehr und mehr, denn ich habe das Gefühl, dass wir endlich zueinander finden werden.
„Heute Mittag beginnen wir mit dem Fischen, Noah“, ruft Gustav, der am Anker steht, als ich gerade an Deck komme.
„Alles klar“, rufe ich zurück.
„Heute ist es ziemlich stürmisch“, stelle ich fest.
„Ja, ein Sturm wurde vorausgesagt, aber er ist eher unbedenklich.“
„Meinst du? Glaubst du, dass es mit dem Fischen klappt bei diesen heftigen Wellen?“, frage ich besorgt.
„Vielleicht legt es sich heute Mittag schon wieder. Falls nicht, warten wir eben bis morgen“, sagt Gustav mit einer Pfeife zwischen seinen Lippen. Gustav wird sich schon auskennen, immerhin ist er hier draußen auf dem Meer zu Hause.
Allmählich wird es dunkel und der Sturm hat nicht
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