Solange es hell ist
das Kind tun.«
»Ja, schon, aber das Geld hätte doch für Winnie angelegt werden müssen.«
»Ach, dafür war es nicht gedacht. Es ist für laufende Ausgaben, Kleidung und solche Dinge.«
Alan sagte nichts. Er dachte an Winnies Sachen, an die gestopften und geflickten Stellen.
»Und trotzdem ist dein Konto überzogen, Isobel?«
»Wirklich? Das passiert mir ständig.«
»Schon, aber diese fünfhundert – «
»Mein lieber Alan, die habe ich so für Winnie ausgegeben, wie ich es für richtig hielt. Ich versichere dir, dass Jane nichts dagegen einzuwenden hat.«
Alan jedoch hatte sehr wohl etwas dagegen einzuwenden. Aber so groß war die Macht von Isobels Gelassenheit, dass er nichts mehr sagte. Isobel war in Geldangelegenheiten nun einmal sorglos. Sie hatte Geld, das für ihr Kind bestimmt war, nicht für sich selbst verwenden wollen. Am gleichen Tag traf eine quittierte Rechnung ein, die versehentlich an Mr Everard adressiert war. Sie kam von einer Schneiderin am Hanover Square und belief sich auf etwas über zweihundert Pfund. Er reichte sie Isobel wortlos. Sie warf einen Blick darauf, lächelte und sagte:
»Mein armer Junge, du magst das vielleicht für schrecklich viel halten, aber man kann ja nicht gut nackt herumlaufen.«
Am nächsten Tag suchte er Jane auf.
Jane war irritierend und ausweichend wie immer. Er solle sich keine Gedanken machen. Winnie sei schließlich ihr Patenkind. Frauen verstünden dergleichen, Männer nicht. Natürlich wolle sie nicht, dass Winnie für fünfhundert Pfund Kleider haben solle. Aber würde er das bitte ihr und Isobel überlassen? Sie seien sich vollkommen einig.
Alan verließ sie in einem Zustand wachsender Unzufriedenheit. Er wusste ganz genau, dass er der Frage, die er wirklich beantwortet haben wollte, ausgewichen war, nämlich der Frage: »Hat Isobel dich jemals um Geld für Winnie gebeten?« Er stellte sie nicht, weil er Angst hatte, dass Jane nicht gut genug lügen würde, um ihn zu täuschen.
Aber er war beunruhigt. Jane war arm. Er wusste, dass sie arm war. Sie durfte sich doch nicht selbst berauben. Er beschloss, mit Isobel zu sprechen. Isobel war ruhig und beschwichtigte ihn. Selbstverständlich würde sie nie zulassen, dass Jane mehr ausgab, als sie sich leisten konnte.
Einen Monat später starb Jane.
Es war die Grippe, gefolgt von einer Lungenentzündung. Sie ernannte Alan Everard zu ihrem Testamentsvollstrecker und hinterließ alles, was sie besaß, Winnie. Aber es war nicht viel.
Somit war es Alans Aufgabe, Janes Papiere durchzugehen. Sie hinterließ Unterlagen, die eine deutliche Sprache sprachen – zahlreiche Beweise für gute Taten, Bettelbriefe, Dankschreiben.
Und zuletzt fand er ihr Tagebuch. Darin lag ein Zettel:
»Nach meinem Tod von Alan Everard zu lesen. Er hat mir oft vorgeworfen, nicht die Wahrheit zu sagen. Hier steht die Wahrheit.«
So erfuhr er schließlich alles, da er auf den einzigen Ort gestoßen war, an dem Jane sich getraut hatte, ehrlich zu sein. Es war ein Dokument, sehr schlicht und ungekünstelt, ihrer Liebe zu ihm. Das Ganze war ohne große Gefühlsregungen geschrieben, die Sprache ohne Schnörkel. Aber an den Tatsachen gab es nichts zu rütteln.
»Ich weiß, dass ich dir oft auf die Nerven gehe«, hatte sie geschrieben. »Manchmal scheint dich alles, was ich tue oder sage, in Wut zu versetzen. Ich weiß nicht, warum das so ist, denn ich bemühe mich so sehr, es dir recht zu machen; aber trotz allem glaube ich, dass ich dir doch etwas bedeute. Auf Menschen, die einem gleichgültig sind, ist man nicht böse.«
Es war nicht Janes Schuld, dass Alan noch andere Dinge fand. Jane war loyal – aber auch unordentlich; sie stopfte ihre Schubladen viel zu voll. Kurz vor ihrem Tod hatte sie mit Bedacht alle Briefe von Isobel verbrannt. Der, den Alan fand, war hinten in einer Schublade eingeklemmt. Als er ihn gelesen hatte, wurde ihm die Bedeutung gewisser kabbalistischer Zeichen auf den Kupons an Janes Scheckheft klar. In dem bewussten Brief hatte Isobel sich erst gar nicht bemüht, den Anschein zu wahren, dass das Geld für Winnie benötigt wurde.
Alan saß an Janes Schreibtisch und starrte lange Zeit mit leerem Blick aus dem Fenster. Schließlich steckte er das Scheckheft ein und verließ die Wohnung. Er ging zu Fuß zurück nach Chelsea, beherrscht von einem Zorn, der von Minute zu Minute wuchs.
Als er zuhause ankam, war Isobel ausgegangen, was er bedauerte. Er hatte sich ganz genau zurechtgelegt, was er sagen wollte. Statt
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