Solarstation
ESA-Leute irgendwelche Erklärungen über Funk durch?« fragte der Kommandant.
Yoshiko glitt zum Kommunikationspult und streifte den Kopfhörer über. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts.«
Moriyama schnaubte wütend. »Jetzt wünsche ich mir ein Bordgeschütz. Hat jemand eine Idee, wie wir verhindern können, daß die einfach andocken?«
Im Weltraum waren Türschlösser und Hausschlüssel noch völlig unüblich. Vielleicht, schoß es mir für einen Moment durch den Kopf, würde sich das in Zukunft ändern. Einstweilen war es noch so, daß jeder, der sich einem Raumfahrzeug näherte, es auch betreten konnte. Das entsprach internationalen, seit Jahrzehnten gültigen Vereinbarungen über gegenseitige Hilfeleistungen in Fällen von Weltraumhavarie. Jede Schleuse war von außen bedienbar, und jedes Raumfahrzeug, das über die Standard-Kopplung verfügte, konnte an jedes andere andocken, und Raumfahrer konnten in das andere Fahrzeug überwechseln, ohne daß dazu die Erlaubnis oder Mitwirkung der Insassen dieses Fahrzeugs erforderlich war: denn diese Insassen mochten ja tot oder bewußtlos sein und Hilfe nötig haben.
»Die Manipulatorarme!« fiel mir ein. »Wenn wir die kreuzförmig vor die Schleuse legen, können sie nicht ankoppeln. Und wenn sie nicht ankoppeln können, können sie auch nicht an Bord. Vielleicht bequemt sich die ESA dann zu einer erklärenden Stellungnahme, was hier gespielt wird.«
Der düstere, ungeschlachte Zylinder kam immer näher. Es war höchste Zeit, etwas zu unternehmen.
»Erinnern Sie mich daran, daß ich Sie für eine Gehaltserhöhung vorschlage«, meinte Moriyama grimmig. »Los, worauf warten wir?«
Wir hangelten uns hastig zum Schott, durchquerten den Knotentunnel und erreichten die kleine, der Brücke genau gegenüberliegende Ausbuchtung, von der aus die Greifarme gesteuert wurden. Ich griff nach den Steuerhebeln und setzte die langen Roboterarme in Bewegung, die normalerweise dazu benutzt wurden, um das Ladeluk eines angekoppelten Spaceshuttles leerzuräumen. Die Arme waren lang genug, um in den hintersten Winkel des Nutzlastraums greifen zu können, stark genug, um schwere Pakete greifen und bewegen zu können, und beweglich genug, um diese Pakete in der Lastenschleuse abzusetzen, die sich schräg unterhalb von uns an der Stirnseite des Mikrogravitationslabors befand. Als wir die Sichtluken öffneten, war das fremde Raumfahrzeug schon bedrohlich groß und nah über uns.
»Wenn die nicht abbremsen, schlagen sie sie uns kaputt«, meinte ich, während ich die Arme ausklappen ließ und dann kreuzförmig über unserem Kopplungsadapter verschränkte. »Andererseits ruinieren sie damit wahrscheinlich auch ihre eigene Kopplung.«
Sie bremsten. Wir sahen die Steuertriebwerke des Angreifers für ein paar Sekunden aufflammen, dann war die Bewegung gestoppt, und das unförmige Gebilde aus dunklem Stahl verharrte unschlüssig in etwa zehn Metern Entfernung. Moriyama und ich nickten uns triumphierend zu. Da mochten sie jetzt hängen, bis sie verfaulten.
»Ich frage mich, wie sie das wagen können«, wunderte sich Moriyama, während er das Raumfahrzeug beobachtete. »Wenn unsere Sender nicht kaputt wären, würden wir doch schon längst SOS senden, und alle Welt wüßte, was hier geschieht. Die internationalen Verwicklungen, die das zur Folge hätte, wage ich mir nicht vorzustellen…«
»Vielleicht wissen sie es.«
»Was?«
»Daß unsere Sender kaputt sind.«
Moriyama sah mich verwundert an. »Woher sollten sie das wissen?«
Die Dominosteine in meinem Hirn fingen gerade an, zu fallen, klick-klick-klick, einer stieß den nächsten um, und immer so weiter. Plötzlich paßten Puzzlesteine zusammen. »Mein Gott«, stieß ich hervor, von der grauenvollen Einsicht überwältigt. »Erinnern Sie sich noch, was Sie über Iwabuchi gesagt haben? Daß er längst einen neuen Sender gebaut hätte, aus zwei Gabeln und ein bißchen Draht? Wir dachten die ganze Zeit, der Mörder hätte die Sender zerstört, damit wir den Mord an Iwabuchi nicht melden konnten. Aber es ist genau andersherum. Tatsächlich ging es um die Sender. Es ging ihm darum, unsere Sender zu zerstören, damit dieser Überfall unbemerkt stattfinden konnte. Er ermordete Iwabuchi, weil er – wahrscheinlich zu Recht – befürchten mußte, daß dieser die Sender zu schnell reparieren würde.«
Moriyama starrte mich an, und in seinem Gesicht mischten sich Abscheu und blankes Entsetzen. Mein Gesicht sah wahrscheinlich nicht viel
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