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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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anders aus, während die Dominosteine weiterfielen, klick-klick-klick, einer nach dem anderen. Der Geruch auf der Brücke fiel mir ein, der Geruch des Plastikthermits. Der Pflaumenwein. Das Haaröl. »Wo ist eigentlich Sakai?« fragte ich ahnungsvoll.
    Die Stimme kam überraschend. »Hier, Mister Carr.«
    Wir zuckten zusammen und fuhren herum. Sakai schwebte an der gegenüberliegenden Wand des Tunnels, neben dem Schott zur Brücke. Mit der einen Hand hielt er sich an einem Griff fest, und das, was er in der anderen Hand hielt, war zweifelsfrei und auf den ersten Blick erkennbar ein Revolver.
    Und er hielt ihn auf uns gerichtet.
    »Sakai?!« entfuhr es Moriyama.
    Sakai wirkte plötzlich überhaupt nicht mehr so gleichmütig und begriffsstutzig wie sonst. »Ich habe keine Lust und keine Zeit für lange Erklärungen. Carr, nehmen Sie die Manipulatorarme von der Schleuse!«
    Ich rührte mich nicht. »Sakai, ist Ihnen klar, daß Sie sich selber gefährden, wenn Sie hier an Bord mit einer Schußwaffe herumfuchteln? Ein einziger Schuß, der danebengeht und die Wandung durchschlägt, kann eine Katastrophe auslösen.«
    »Halten Sie mich nicht für naiv, Mister Carr«, erwiderte Sakai kalt. Er hob die Waffe leicht, so daß wir den unterarmlangen Schalldämpfer bewundern konnten, der auf der Mündung aufgeschraubt war. »Wir haben uns gut vorbereitet. Dieser Schalldämpfer verringert die Geschwindigkeit der Kugeln auf ein zwar immer noch tödliches, aber ansonsten ungefährliches Maß. Sollte eine dieser Kugeln die Modulwandung durchschlagen, verursacht das keinen größeren Schaden als ein Mikrometeorit. Sie wissen ja, die zweischalige Bauweise: ein wenig Luft entweicht, dann verbinden sich die beiden pastösen Kunststoffe in den beiden getrennten Wandschalen zu einem stabilen, luftdichten Pfropf.«
    Er richtete die Waffe wieder auf meinen Bauch. »Und jetzt nehmen Sie die Greifarme zurück. Glauben Sie mir, ich habe keine Hemmungen, Sie zu erschießen und es selber zu tun.«
    Ich starrte ihn nur an. Wenn Blicke töten könnten, wäre er mausetot umgefallen.
    »Oh, ein Held. Soll ich mir überlegen, Ihre hübsche Freundin zu verunstalten?«
    »Tun Sie, was er sagt, Leonard«, befahl Moriyama halblaut. Widerstrebend griff ich nach der Steuerung der Manipulatorarme und führte sie zurück in ihre normale Grundstellung. Das fremde Raumfahrzeug setzte sich sofort wieder in Bewegung.
    »Was soll das alles, Sakai?« fragte ich aufgebracht. »Wer ist dort in diesem Raumschiff?«
    »Warten Sie’s ab, Mister Carr«, empfahl er mir gleichgültig. »In wenigen Augenblicken erfahren Sie es ja sowieso.«
    Wir warteten. Augenblicke dehnten sich zu unerträglichen Ewigkeiten. Aus den Augenwinkeln sah ich den schwarzglänzenden Koloß näher und näher kommen, größer und größer werden…
    Dann ging ein donnernder Schlag durch die ganze Raumstation, der jede Wand und jede Verstrebung erzittern ließ.
    Für einen Moment dröhnte es in unseren Ohren, als befänden wir uns im Inneren einer riesigen Glocke, die sich im Glockengestühl verirrt und eine andere Glocke gerammt hatte. Dann ließ das Zittern der Wände nach, doch das Zittern in unserem Inneren blieb. Der Geruch der Gefahr hatte nicht getrogen. Die Staubwolke am Horizont bedeckte nun den ganzen Himmel.
    Schabende Geräusche von der Stirnschleuse her waren zu hören.
    Das Piratenschiff hatte angekoppelt.

KAPITEL 17
    Das Schott zur Brücke fuhr auf, und Tanaka streckte den Kopf heraus. Sakai richtete seine Waffe auf ihn. »Keine Dummheiten«, warnte er ihn.
    Niemand hat je behauptet, die japanische Raumfahrtbehörde engagiere Leute, die schwer von Begriff wären oder zu unbesonnenem Handeln neigten. Tanaka sah zuerst die Waffe an, dann Moriyama und mich, und dann nickte er langsam und hob die Hände leicht hoch. »Alles, was Sie wollen«, sagte er leise.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, befahl Sakai. »Ich will, daß das Schott offenbleibt.«
    Die schabenden Geräusche hatten das Innere unserer Schleusenkammer erreicht, und nun drehte sich das Verschlußrad der inneren Luke mit dem üblichen Rattern, das mich immer an das Geräusch eines Safeschlosses erinnerte. Dann, als die Sicherungsbolzen vollständig eingefahren waren, schwang das Luk auf, und ein Gesicht erschien in der kreisrunden Öffnung. Und was für ein Gesicht!
    Ich erschrak, als ich diese Züge sah. Die letzten Stunden waren nicht gerade arm an Ereignissen gewesen, und ich war von einer Angst in die nächste gefallen –

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