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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Kilometer weiter noch mal bei der OPZ. Es ist für die nächsten Stunden unsere letzte Möglichkeit, Funkkontakt aufzunehmen. Bereits hinter der nächsten Anhöhe wird die Sendeleistung nicht mehr ausreichen. Wir sind bei der weiteren Fahrt völlig auf uns allein gestellt, egal was auf der zum größten Teil noch unbekannten Strecke passiert. Indianerland nennen wir solche Gebiete im Soldatenjargon. Bei solchen Fahrten kommt oftmals ein mulmiges Gefühl auf. Die Wachsamkeit und Konzentration steigt, alle Sinne sind besonders geschärft. Es ist keine unangenehme Anspannung, eher wie das prickelnde Gefühl der Furcht bei einem guten Thriller. Ich bin gerne bei diesen Aufklärungsfahrten dabei, bei denen man nie genau weiß, was auf einen zukommt. Wir passieren einige verlassene Dörfer und leer stehende Gehöfte. Trotz einer gewissen Neugier unterlassen wir es grundsätzlich, solche Ortschaften und Gebäude zu betreten. Das Risiko, in eine Sprengfalle zu tappen, ist zu hoch. Oft wurden die Siedlungen aus Furcht vor feindlichen Truppen des Bürgerkrieges Hals über Kopf geräumt. Um Plünderer abzuhalten, spickten viele Bewohner ihre Gebäude mit Sprengfallen. Die sind schnell gemacht, etwa mit einer entsicherten Handgranate, die in eine leere Konservenbüchse gesteckt wird. Ein Stolperdraht, der an einer Tür gespannt sein kann, zieht die Granate aus der Büchse heraus, der Bügel schlägt um, der Zünder wird aktiviert und schon ist man hin. Die feindlichen Truppen haben ebenfalls leer stehende Häuser mit improvisierten Fallen bestückt, um den Bewohnern die Rückkehr zu verleiden. Wir fahren also nur durch solche Ortschaften, wenn es keine Alternative gibt.
    Bereits bei der Anfahrt halte ich meine Augen nach Anzeichen von Minen und über die Straße gespannten Drähten offen. Ich habe es mir wie einige andere Fahrer auch angewöhnt, mir die Splitterschutzweste unserer Standardausrüstung auf den Sitz zu legen. Wegen der auch gegen Splitterwirkung sicheren Bristolwesten brauchen wir sie während dieses Einsatzes nicht. Es ist nicht nur komfortabler, als direkt auf dem Plastikpolster zu sitzen, ich erhoffe mir auch, für den Fall, dass ich auf eine Mine fahre, meine Familienplanung weiterhin offenhalten zu können. Die Wölfe sind normalerweise ungepanzert. Bei einigen Fahrzeugen wurde zwar versuchsweise eine Panzerplatte unter den Insassenbereich geschweißt, aber das hat sich nicht bewährt. Mir ist es ohnehin lieber, flink und beweglich wie ein hunnischer Reiter zu sein als wie ein Kreuzritter, eingesperrt in eine Stahlrüstung, unfähig, ohne fremde Hilfe auf die Beine zu kommen, wenn ich einmal am Boden liege. Ansonsten wäre ich nicht bei der leichten Infanterie, sondern in einer Panzerdivision gut aufgehoben.
    Solange Menschen Kriege gegeneinander führen und nicht wie in einem Science-Fiction-Film Maschinen an deren Stelle treten, wird es zu Tod und schwerer körperlicher und seelischer Verwundung kommen. Dass ein einzelner Mensch, der bereit ist, sein Leben in die Waagschale zu werfen, die Geschichte entscheidend zu beeinflussen imstande ist, ist ein altes Phänomen, das es längst vor dem Begriff der asymmetrischen Kriegsführung gab. Die orientalischen Assassinen des Mittelalters sind wie die Selbstmordattentäter von heute extreme Beispiele für Opferbereitschaft. Um solchen Menschen etwas entgegensetzen zu können, die unsere Werte und Gesellschaftsstrukturen gefährden und radikal umstürzen wollen, braucht man Fußsoldaten mit hoher Risikobereitschaft. Sie sind es, die die Lage vor Ort beurteilen und die ihnen übertragene Aufgabe präzise erledigen sollen. Der Bediener einer ferngesteuerten Drohne oder ein Bomberpilot, der viele Kilometer von seinem Ziel entfernt ist, muss zwangsläufig damit rechnen, Menschen zu töten, die gar nicht gemeint waren. »Collateral damage« nennt man das heutzutage euphemistisch. Bei den Bodentruppen handelt es sich meist um Infanteristen aus den traditionellen Jägereinheiten. Sie sind bereit, ihr Leben im direkten Feindkontakt einzusetzen.
    Ich selbst gehöre zu einer solchen Einheit, aus tiefster Überzeugung, für die Werte einzustehen, die unsere westliche Welt geprägt haben und die nach üblichem Sprachgebrauch als christliche Werte bezeichnet werden, auch wenn ich keiner Religionsgemeinschaft angehöre. Mir ist es daher wichtig, diejenigen, die mich stellvertretend für sie in den Krieg ziehen lassen, an ihre Verantwortung zu erinnern. Im Mittelalter war dem

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