Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
melden. Dessen eigentlicher Fahrer und Dolmetscher ist an Durchfall erkrankt und hat ein paar Tage Bettruhe verordnet bekommen.
Ich lasse mir nicht anmerken, dass ich meine Mittagspause lieber in Ruhe beendet und wie geplant mit Malcom laufen gegangen wäre. Stattdessen springe ich fix in meine Stiefel und streife mir mein Feldhemd über. Wenige Minuten später stehe ich in der OPZ. Die geschäftig vorbeilaufenden Offiziere nehmen keinerlei Notiz von mir. Ich komme mir wie ein Möbelstück vor, das man registriert, ohne ihm weiter Beachtung zu schenken. Daher bin ich froh, als mir Mundt, der Fahrer des Kommandeurs, über den Weg läuft. Er bemerkt, dass ich mich in dieser Umgebung etwas hilflos fühle, und fragt mich, was ich denn hier mache. Den Hauptmann, dem ich als Fahrer zugeteilt wurde, kennt er und führt mich zu dessen Büro. An der Tür gibt er mir den Rat, mich von Prunders Art nicht irritieren zu lassen. Mir ist nicht klar, was Mundt damit meint, aber bevor ich ihn fragen kann, hat er sich schon verabschiedet.
Der Aufforderung des Offiziers folgend trete ich ein. Obwohl es in dem Raum nicht übermäßig hell ist, trägt der Hauptmann eine große Sonnenbrille. Er ist von hünenhafter Statur. Sein blondes Haar trägt er kurz geschoren, insgesamt wirkt er auf mich so, wie ich mir einen amerikanischen »drill instructor« vorstelle. Ich ahne also, woran ich bin, und nehme militärisch Haltung ein. »Herr Hauptmann – Hauptgefreiter Müller, ich melde mich wie befohlen!« – »Wo sind Ihre Hosengummis?«, ist das Erste, was ich von dem Mann zu hören bekomme. Die Gummiringe aus elastischem Band, auch höhnisch »Strumpfbänder« genannt, trage ich im Lager nur noch während der Lagerwache am Tor. Ansonsten lasse ich die Enden der Hosenbeine einfach lang über den Stiefelschaft fallen. Dadurch kann die Luft besser zirkulieren, denn der Stoff unserer Uniform ist dicht und fest gewebt und eher für das gemäßigte Klima in Deutschland konzipiert. Ich bin nicht der Einzige im Lager, der das so handhabt, und normalerweise wird es toleriert. Meinem Gegenüber ist es ein Dorn im Auge, aber meine fadenscheinige Ausrede, dass ich mich so schnell wie möglich bei ihm melden wollte, lässt er unkommentiert im Raum stehen. Ich bekomme von ihm die Wagenschlüssel und Papiere für einen Wolf und soll mich mit aufgetanktem Fahrzeug am nächsten Morgen um 08:00Uhr bei ihm im Büro melden. Gerade als ich mich militärisch abmelden will, sagt er mir, dass ich das lassen soll und im Einsatz auf diese Formalität verzichtet wird, damit nicht für jeden Außenstehenden schon von Weitem ersichtlich ist, wer die Befehlsgewalt hat. Diese Person wäre ein lohnendes Ziel für einen Heckenschützen.
Auf dem Weg zum Fahrzeug denke ich über die Begegnung nach. Ich bin trotz Mundts Vorwarnung etwas verwundert. Im Einsatz wird vieles anders gehandhabt, als es die Dienstvorschriften vorgeben. Da die Bewertung, was den gegebenen Bedingungen angepasst wird und was nicht, offenbar sehr unterschiedlich ausgelegt wird, ist es schwierig, sich seinen Vorgesetzten gegenüber richtig zu verhalten. Ich muss mich manchmal im Gedankenlesen üben. Unnütz, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, denke ich und beschließe, mich auf das zu konzentrieren, was ich beeinflussen kann. Ich überprüfe, ob der Wolf technisch in Ordnung ist. Betankt werden muss er nicht. Sogar der Reservekanister ist randvoll gefüllt und auch der Ersatzreifen hat den nötigen Druck. Der Kraftfahrer, den ich vertrete, scheint auf Zack zu sein – oder von dem Hauptmann unter Strom gehalten zu werden. Jedenfalls ist alles tadellos und das Einzige, was ich zu tun habe, ist, meinen gepackten Rucksack im Fahrzeug zu verstauen, damit ich morgen früh schnellstmöglich abmarschbereit bin.
Am nächsten Morgen stehe ich 15Minuten vor der vereinbarten Zeit an der OPZ. Die täglich wechselnde Funkfrequenz und Parole habe ich bereits in der Zentrale in Erfahrung gebracht und stelle das Funkgerät im Fahrzeug darauf ein. Da das Gerät auf einem fest angeschraubten Sockel auf der Ladefläche im hinteren Teil des Wolfs angebracht ist, knie ich auf einem der Rücksitze. Gerade als ich rückwärts aus dem Fahrzeug herausklettere, tritt Hauptmann Prunder heran. Seiner Anweisung folgend unterlasse ich es zu salutieren, als ich ihn begrüße. Er ist guter Laune und offenbar darüber erfreut, dass wir unverzüglich abfahren können. Bevor wir losfahren, breitet er zu meiner Orientierung eine
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