Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
keine Ahnung, wohin meine Kameraden sich verdrückt haben könnten. Möglicherweise schauen sie sich ja auch den Welpen an, sage ich mir, um einen Grund zu haben, doch noch zu Mayer zu gehen. Tatsächlich treffe ich fast meine komplette Gruppe an. Sie hat sich um unseren Kameraden versammelt, der seinen Welpen stolz vorzeigt. So rau der Umgang unter Soldaten auch sein mag, mit einem Hündchen auf dem Arm kommt die weiche Seite zum Vorschein. Limmann schiebt seinen Kopf zum Zelt herein und treibt uns an.
Mehrere Feldjäger sind bei der Besprechung anwesend. Worum es geht, wird in knappen Worten geschildert: Eine Frau ist vor einigen Wochen aus einem Dorf verschleppt worden. Entführungen sind hier nichts Ungewöhnliches. Die Feldjäger übernehmen Polizeiaufgaben, bis sich die Exekutive im Kosovo eine neue Struktur geschaffen hat. Als Fallschirmjäger haben wir andere Aufgaben, äußere ich. Meinen Einwand weist der Führer der Feldjäger barsch ab: Es gebe hier nun einmal keine Polizeistruktur und der Auftrag, die Frau zu finden, sei von oberster Stelle an uns ergangen. Ende. Auf der Landkarte wird uns kurz gezeigt, wo wir hinfahren und welches Gebiet womöglich abgesucht werden muss. Ich frage mich, wie das mit den paar dafür vorgesehenen Männern zu schaffen sein soll. Wir hatten bei Jagdkampfübungen in Deutschland bereits die Erfahrung gemacht, dass es selbst in Kompaniestärke der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichkommt, wenn man als Postenkette auf der Suche nach einer Person einen Wald durchkämmt. Dass wir mit halber Zugstärke auf gut Glück eine Suchaktion starten sollen, kommt mir absurd vor.
Was solls – Befehl ist Befehl. Ich schmeiße meinen stets gepackten Rucksack zu meinen Kameraden auf die Ladefläche des Zweitonners und werfe den Motor an. Malcom stellt sich wie gewohnt auf den Beifahrersitz und schaut aus der Dachluke heraus. Unser kleiner Konvoi, bestehend aus zwei Wölfen vorweg, meinem Lkw und einem Wolf als schließendes Fahrzeug, kommt verhältnismäßig zügig voran. Das Terrain ist schwierig, daher halten wir immer wieder an und überprüfen, ob wir uns noch auf dem richtigen Weg befinden. Ich habe zu diesem Zeitpunkt absolut keine Ahnung mehr, wo ich bin, da ich nicht das Privileg habe, mit Karte und GPS ausgestattet zu sein. Wie bei solchen Patrouillen üblich, haben wir seit Stunden keine Verbindung mehr zur OPZ. Unsere Funkgeräte dienen uns ausschließlich dazu, während der Fahrt miteinander zu kommunizieren.
Mir gefällt zwar nicht, dass ich völlig desorientiert unterwegs bin und auf Gedeih und Verderb vom Können unserer Führer abhängig, aber noch ist mein Vertrauen in sie groß genug. Dennoch ist es unverantwortlich, in einer Gegend, in der sich überall Minen und Blindgänger befinden können und versprengte Bürgerguerilla mit Kriegswaffen hantiert, ohne Arzttrupp oder Rettungssanitäter unterwegs zu sein. Mit unseren rudimentären Erste-Hilfe-Kenntnissen würden wir im Ernstfall schnell an unsere Grenzen stoßen. Ich selbst traue mir jedenfalls nicht viel mehr zu, als einen Druckverband anzulegen. Mehr als das wäre mit unserer »Persönlichen Erste-Hilfe-Ausrüstung«, die aus etwas Mullbinde, einem Dreiecktuch und einer Wundauflage für Brandverletzungen besteht, auch nicht möglich. Hauptfeldwebel Lasrich und Stabsunteroffizier Ruths fallen mir unweigerlich ein. Die beiden Pioniere aus der Luftlandeeinheit in Wildeshausen sind einige Tage zuvor auf Antipersonenminen getreten und mit schweren Verletzungen in die Heimat ausgeflogen worden.
Ich hatte an dem Tag Lagerwache. Plötzlich war das Lager in Aufruhr und ein Fahrzeug nach dem anderen raste zum Tor hinaus. Bruchstückhaft hingeworfene Informationen ließen die Gerüchteküche brodeln. Am nördlichen Ufer des Morinisees, gegenüber dem Außenposten Adlerhorst, waren unsere Leute auf eine Mine gelaufen, hieß es. Beim Abendessen begegnete mir ein Pionier im Verpflegungszelt. Sein Gesicht hatte Verletzungen durch Sekundärprojektile, Sand und kleine Steinchen, die durch die Explosion einer Mine mit beschleunigt werden. Es sah aus, als wäre er mit seiner Wange ein paar Meter über Asphaltboden geschlittert. Viel von dem Geschehen gab er mir nicht preis. Nur, dass Lasrich, der Führer des Pionierzugs, auf eine Mine getreten war und seinen Unteroffizier Ruths das gleiche Schicksal ereilt hatte, als er ihm helfen wollte. Anstatt sich den Weg zu seinem Vorgesetzten Zentimeter für Zentimeter mit der Minensuchnadel
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