Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Belastbarkeit steigert, kommt regelmäßig der Rucksack mit, oder wir schultern manchmal gemeinsam einen Baumstamm – im Gleichschritt. Das stärkt das Teamgefühl. Zur Abwechslung denkt sich unser allseits beliebter Vorgesetzter »Matze«, der Oberleutnant, etwas aus. Beispielsweise nehmen wir einen Tisch aus der Stube mit und je nach Größe wird er auf den Rücken geladen oder muss von vier Mann auf der gut 10 Kilometer langen Strecke auf den Schultern balanciert werden. Beim Wettkampf wird es vielleicht eine Person sein, die wir bei einer simulierten Rettungsaktion erstversorgen und bergen müssen. Da die Donnerschwee Kaserne mitten in der Stadt liegt, laufen wir an etlichen Passanten vorbei, die staunend stehen bleiben und uns hinterherschauen. Unsere Abseilübungen die Huntebrücke hinab sorgen für ähnliches Aufsehen. Wir rasen, so schnell das Material es hergibt, das Seil hinunter.
Um die Navigation mit Karte und Kompass zu üben, fahren wir zur Abwechslung auch mal für eine Woche weg. Obwohl der Wettkampf in Deutschland stattfindet, üben wir aus Fairness gegenüber den anderen Teilnehmern nicht in dem vorgesehenen Areal, sondern in Gebieten mit einer ähnlichen Landschaft. In den meisten Fällen sind es groß angelegte Truppenübungsplätze. Das Schießtraining für den Wettkampf läuft völlig anders ab, als ich es bisher in meiner Ausbildung erlebt habe. Wir sollen mit allen Handfeuerwaffen der Bundeswehr sicher umgehen, Munition steht uns dafür nahezu unbegrenzt zur Verfügung. Schließlich sollen wir lernen, die Zielscheiben auch unter Stress und schwerer körperlicher Belastung mit hoher Präzision zu treffen. Dann wäre da noch das Schwimmen. Wir schwimmen nicht mit Badehose, sondern im Feldanzug, doch zumindest ohne Stiefel, dafür aber manchmal mit den Händen auf dem Rücken gebunden und nur aus der Kraft der Beine heraus. Einmal in der Woche gehen wir mittags auswärts essen. Die Atmosphäre gemeinsamer Anstrengung bis zur völligen Erschöpfung und anschließender Erholung schmiedet uns zu einer Kameradschaft zusammen, die weit über das hinausgeht, was mit dem üblichen Drill zu erreichen gewesen wäre. Die Freiräume und Trainingsmöglichkeiten wissen wir zu schätzen, sodass wir gerne auch über die reguläre Dienstzeit hinaus unser Training fortführen.
All diese Privilegien geben uns das Gefühl, einer elitären Gemeinschaft anzugehören. Es sind im Prinzip nur Kleinigkeiten, die der Zweckmäßigkeit dienen sollen, doch in der uniformierten und um Konformität bemühten Institution Bundeswehr fallen sie sofort auf. Wir sind im Bundeswehrjargon »univil« gekleidet. Damit ist das Kombinieren von Uniformteilen mit ziviler Kleidung gemeint, was nach ZDV nicht zulässig ist und daher im Normalfall sofort gerügt wird. Wir tragen einheitlich schwarze Swea-T-Shirts mit aufgesticktem MND-Logo und dem Fallschirmjägerabzeichen, schwarze Wollmützen und Stiefel, die anders als die normalen Springerstiefel auch zum Dauerlauf geeignet sind. Bei den regulären Uniformhosen in Flecktarnung lassen wir die Hosenbeine wegen der Luftzirkulation über die Stiefel fallen, statt sie mit den Hosengummis über dem Stiefelschaft einzuschlagen. Das allein würde genügen, um von anderen Soldaten neidische Blicke zu ernten. Dazu kommt, dass wir beim Essen immer gemeinsam an einem für uns reservierten Tisch sitzen. »Die Rittertafel«, wie wir ihn nennen. Der bei Fallschirmjägern wegen der körperlichen Leistung großzügig berechnete Lebensmittelbedarf wird bei uns im Grunde auf ein »all you can eat« ausgedehnt. Natürlich führt das gelegentlich zu Futterneid. Aber wann immer wir uns in der Kaserne bewegen, tun wir den Teufel, uns vor Zuschauern eine Blöße zu geben, und legen uns beim Training immer derart ins Zeug, dass jedem Neider vor Angst der Appetit auf unsere Zusatzration vergeht.
Der Trainingsplan trägt seine Früchte. Innerhalb eines halben Jahres lege ich 12 Kilo zu. Ich wiege 90 Kilogramm, was in meinem Fall weit über dem liegt, was der Body-Mass-Index empfiehlt. Mein Anteil an Körperfett beträgt magere 14 Prozent. Nie zuvor war ich in einem so guten Trainingszustand, diese sprunghafte Entwicklung hat aber auch Nebenwirkungen. Ich habe immer häufiger Blut im Urin und lasse mich im Bundeswehrkrankenhaus untersuchen. Dort ist man über das Trainingspensum im MND-Zug sehr erstaunt, ebenso darüber, wie viel Muskulatur ich in verhältnismäßig kurzer Zeit aufbauen konnte. Wir stünden mit
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