Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Kompaniefeldwebel der 2., Rauch, teilt mir eine Stube zu, auf der schon die Stabsgefreiten Stand und Hör und ein Hauptgefreiter
einquartiert sind. Zu meiner Freude handelt es sich bei ihm um Wiegmann. Ich habe ihn beim Kosovoeinsatz kennengelernt. Das Jahr geht für uns gemächlich mit der Nachbereitung des Einsatzes zu Ende. Waffenappell und Instandsetzung des Materials bestimmen unseren Tagesablauf.
Das Jahr 2000 bringt eine neue Herausforderung. Zwei deutsche Mannschaften für den Militärwettkampf der Multinationalen Division (MND) werden zusammengestellt. In meiner Dienstzeit ist mir eines besonders bewusst geworden: Wer bei der Bundeswehr respektiert und anerkannt werden will, dem gelingt das am ehesten durch besondere sportliche Leistungen. Das gilt insbesondere, wenn man wie ich ein Mannschaftssoldat ist. Ich melde mich für den Aufnahmetest des MND-Zuges an. Da ich mich zum Soldaten auf Zeit verpflichten möchte, kommt mir diese Gelegenheit gerade recht, um mir auch unter den altgedienten Männern der Brigade einen Ruf zu erwerben und mich von der Masse der Wehrpflichtigen, die kommen und gehen, abzusetzen. Dass die Versetzung dorthin nicht einfach werden wird, ist mir klar, denn für den Wettkampf stellt jedes teilnehmende Land natürlich seine leistungsstärksten Soldaten auf. Für viele Teilnehmer ist der MND-Zug das Sprungbrett zu einer Spezialeinheit. In solchen Einheiten bekommt man die Ausbildung und Ausrüstung, von der viele Soldaten in der Bundeswehr nur träumen können. Waren einst die Kampfschwimmer der Marine das Nonplusultra, so bietet die nun entstehende Division für spezielle Operationen, kurz DSO, ein breites Spektrum an interessanten Aufgaben: das Kommando Spezialkräfte, Scharfschützenzüge oder Fallschirmjägerspezialzüge der Bataillone, um nur einige zu nennen. Mich fasziniert der Gedanke, dem Diensthundezug anzugehören.
Doch vorher gilt es, den Aufnahmetest für den MND-Wettkampf zu bestehen. Alle Anwärter starten gleichzeitig zu einem Gepäcklauf unbekannter Länge und Dauer. Wir laufen mit einem einheitlich gepackten Rucksack, der etwas mehr als 15 Kilogramm auf die Waage bringt. Hier trennt sich zum ersten Mal die Spreu vom Weizen. Wer aufgibt, kann sofort gehen. Die Übrigen schwimmen im Feldanzug auf Zeit um die Wette. Diejenigen, die danach noch im Rennen sind, müssen ihre Navigationsfähigkeiten mit einem Orientierungslauf unter Beweis stellen. Am Ende des Tages sind wir auf etwas weniger als die für einen kompletten Zug sonst üblichen dreißig Mann zusammengeschrumpft. Zur endgültigen Aufnahme in den MND-Zug gehört das Einzelgespräch nach dem Fitnesstest. Dem Zugführer Oberleutnant »Matze« Lang ist es wichtig, sich auch von der charakterlichen Eignung der Anwärter zu überzeugen. Die Männer müssen vor allem teamfähig sein. Der durchtrainierte Bodybuilder wird genauso gebraucht werden wie der drahtige, ausdauernde Läufer. Nur ein Team, das sich perfekt ergänzt, kann den Wettkampf für sich entscheiden. Dass ich es geschafft habe, ins Team aufgenommen zu werden, überrascht mich im Nachhinein. Ich bin stolz, mich gegen die vielen guten Bewerber behauptet zu haben.
Für die kommenden sechs Monate sind wir in der Oldenburger Donnerschwee-Kaserne untergebracht. Oldenburg ist eine alte Garnisonsstadt. Das alte, rote Backsteingebäude, in dem wir einquartiert werden, wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut, doch auf uns wirkt das alte Gemäuer wie ein Relikt aus einer Zeit, in der das Militär etwas Imposantes darstellte. Zu sechst beziehen wir eine Stube, die auch doppelt so vielen Leuten ausreichend Platz bieten würde – ein Luxus, den wir von der Bundeswehr nicht gewohnt sind. Wir breiten uns mit unseren Hanteln, etlichen Vorratsdosen an Eiweißpulver und Nahrungsergänzungspräparaten für Sportler sowie den Wäscheleinen für die vielen, ständig durchgeschwitzten Kleidungsstücke nach Herzenslust aus. Hier finden keine Stubenkontrollen statt, bei denen selbst hinter der Heizung nach Spinnweben gesucht wird. Es wird täglich hart trainiert, daher wird toleriert, dass wir zur Regeneration einfach mal zwei oder drei Stunden schlafen. Anders wäre unser Pensum nicht über ein halbes Jahr lang durchzuhalten. In unserer Stammeinheit wäre es fatal, während der Dienstzeit im Bett erwischt zu werden. Hier wird es offensichtlich nicht für Faulheit gehalten.
Laufen steht täglich auf dem Plan. Damit die Muskeln ordentlich wachsen und sich die
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